Manchmal fragen mich Leute, warum ich eigentlich nicht schon längst berühmt bin. „Du hast schon so viel gemacht, die tollsten Theater, Riesenkonzerte, Fernsehshows, Elbphilharmonie, Hits geschrieben, die keiner kennt. Warum nur?” Liest man die Auflistung der vielen Projekte in meinem Leben, ist das sogar für mich selbst beeindruckend. Dann wundere ich mich, dass ich mir das Frühstück immer noch selbst mache.
Die Antwort, die ich meistens gebe, um der semipeinlichen Situation zwischen Schmeichelei und Loser-Vorwurf zu entschlüpfen, bringt zumindest Leute meiner Generation zum Schmunzeln: „Cliff-Barnes-Syndrom“, sage ich dann, „Angst, zu gewinnen.“ Cliff Barnes hieß der Schwager von Ölmogul Bobby Ewing in der 1980er-TV-Serie „Dallas“. Er wollte immer bei den Großen mitspielen, aber stand sich letztlich selbst im Weg. Seit gestern weiß ich: es gibt einen anderen Grund für meinen Ruhmesmangel. Die Fame-Barriere heißt Angst vorm Dschungelcamp. Hätte ich nämlich schon signifikanten Erfolg gehabt, dann müsste ich ziemlich sicher genau jetzt mit Cora Schumacher, Heinz Hoenig und Kim Virginia Känguruhpenisse essen. Folglich sabotiere ich intuitiv jede größere Geltung. Selbstschutz!
Es ist nämlich so: mit erhöhter Bedeutung scharwenzeln diabolische Bescheidwisser um einen rum, die genau wissen, was zu tun ist. Sie würden mir bei etwas mehr Glamour meinerseits sonstwas in Aussicht stellen. Ich würde mich bald in einem weißen Rollkragenpullover auf einer Yacht mit Jackie Onassis sehen, so wie Karajan früher.
Dann nähme das Grauen seinen Lauf: Geblendet von den rosigen Aussichten verteuert sich mein ohnehin schon kostspieliges Leben ins Unanständige. Die Qualität meiner Arbeit leidet. Das zuvor mich glühend verehrende Weltpublikum wendet sich von mir ab. Es erträgt nicht, wie ich mich durch oberflächliche Liebschaften und exzessives High-Society-Leben in Kitzbühel, Nizza und München von meiner eigenen Mitte entferne.
Es dauert nicht lange, dann habe ich siebenstellige Schulden beim Finanzamt und noch größere beim Abou-Chaker-Clan. Als Komponist werde ich nur noch für Telephonwarteschleifen gebucht, meine Konzerte finden auf Parkplätzen verregneter Baumärkte statt, am E-Piano. Menschen tuscheln und zeigen mit dem Finger auf mich, Kinder lachen mich aus. Der Gerichtsvollzieher hat schon längst mein Macbook einkassiert. Dann kommen die Teufel von RTL und winken mit hundert Riesen für zwei Wochen Dschungelcamp, davon könnte ich wenigstens die Zinsen meiner Schulden bezahlen.
Gerade hat die 20. Staffel begonnen, ich habe mir die Show aus der Hölle angesehen und bekam es mit der Angst zu tun. Eigentlich wollte ich nur mein aufgewühltes Gemüt mit seichter Brot und Spiele-Unterhaltung ablenken. Ich hatte nämlich ein Scharmützel1 mit Annabella2 (Name v. d. Red. geändert) wegen Politik.
Der Überreichtum bestimmter Personen muss abgeschöpft und in der Gesellschaft verteilt werden, findet Annabella. Bei der Vokabel „Überreichtum“ bin ich schon auf der Palme. Sie sagt das zwar mit ihrer freundlichen Samtstimme, mein Gehirn verwandelt ihren kultivierten Stimmklang aber sofort in das unterpriveligierte Krächzen eines DDR-Megaphons. In meinem seidenen Morgenmantel fühle ich mich von der linksextremen Kampfrhetorik bedrängt. Annabella sagt, Superreiche müssen staatlich gezwungen werden, einen Teil ihres Vermögens herzugeben, damit es für Bildung, Klimaschutz, etc. zur Verfügung steht. Ich kann mir nicht helfen, ihre seidigen Goldlocken verwandeln sich augenblicklich in verfilzte Haarzotteln mit Farbrückständen. Vor meinem geistigen Auge wird aus ihrem Cashmereschal ein Pali-Tuch. Annabellas edle Züge formen sich um, in eine von antikapitalistischen Mitessern durchhärtete Maske des Klassenkampfs.
Wüsste ich nicht wohin mit meinen Millionen, hätte ich bestimmt keine Lust, sie auf Anweisung meiner Regierung kommunistischen Umverteilern zu überlassen. Ich zöge aus Trotz an den Genfer See. „Ätsch, Deutschland!” würde ich von meiner Terrasse Richtung Norden rufen und mir mit einem Fünfhunderter die Glückstränen von der Wange tupfen.
Es könnte allerdings sein, dass so eine Zwangsvermögensabgabe in meinem persönlichen Reichtumsfall, verbunden mit einer Ausreiseunterlassungsverordnung gar nicht so dumm wäre. Der Genfer See würde bei mir ja doch nur zum Dschungelcamp führen.
Scharmützel bezeichnet einen zeitlich und örtlich begrenzten bewaffneten Zusammenstoß (Konflikt), an dem in der Regel nur kleinere militärische Formationen beteiligt sind. Meist weicht eine der beiden gegenüberstehenden Parteien nach kurzer Zeit aus oder flieht. (Wikipedia)
Das kommt immer wieder vor. In der Kolumne Klima und Campari aus dem September 2021 habe ich es zum ersten Mal dokumentiert.
Wer mich vor unanständigem Reichtum bewahren will, spendet Kleinbeträge: