Verehrte Lesende,
auch im fünften Sonntagskindjahr bleibe ich dabei: Diese Kolumne ist gratis wie das Licht der Sonne. Trotzdem habe ich mich heute entschieden, ein bezahltes Abonnement anzubieten. Manche von Euch haben mich in den vergangenen Jahren per PayPal unterstützt, zum Teil sehr großzügig – ich bin dafür sehr dankbar.
Wer jetzt Lust hat, mich für diese Kolumne zu unterstützen, kann das über eine paid subscription von 5€ im Monat oder 45€ im Jahr tun. Der Vorteil: Zusätzlich zur aktuellen Ausgabe Zugriff aufs gesamte Archiv von mittlerweile 212 Kolumnen. Nun aber viel Freude mit der ewigen Frage: Beatles oder Stones?
Ein Streitgespräch mit Stilbruch
„Na klar bist du Team Beatles“, sagt Annabella. „Du bist ja auch ein Snob. Hältst Let it be für philosophisch und träumst heimlich davon, reich mit Yoga zu werden. Für wirkliche Befreiung stehen seit 1960 die Rolling Stones, aber das checkt Ihr Vinyl-Veganer eben nicht. Viel Spaß bei deiner Kolumne, Sergeant Softheart.“
Der Soundtrack der Weltanschauung
Die Frage teilt die Welt in zwei Lager: auf der einen Seite Strafgefangene der Gesellschaft – für sie ist Rebellion romantisch, sie koksen mit Keith, mackern mit Mick. Auf der anderen: Feingeister kultureller Evolution, die mit Lucy in the sky with diamonds nach spiritueller Transformation lechzen.
Unkaputtbar seit 1960
Transformation? Für so einen Mädchenkram haben sich die Rolling Stones nie interessiert. Beim Rolling-Stones-Spirit ist Musik Nebensache. Er brettert unaufhaltsam durch die Jahrzehnte – mit gleichbleibender Energie. Spendet Millionen Menschen Zuversicht und verliert nicht an Kraft. Und Jagger spackt auch mit 82 Jahren so epileptisch über die Bühne wie mit 22. Er zeigt, dass Alterung nur eine Erfindung der Treppenliftindustrie ist, während John Lennon schon vor 45 Jahren gegen den Hass verloren hat – und Geschichte ist.
Oeuvre vs. Overdrive
Die Beatles haben mit jedem Album, mit jedem Song etwas Neues erfunden – von den ganz frühen Liedern abgesehen. So haben sie in den wenigen aktiven Jahren ein leuchtendes Werk hinterlassen, mit dem sie der Geschichte des Songwritings ein eigenes Kapitel hinzugefügt haben. Yesterday ist der meistgecoverte Song aller Zeiten.
Die Stones kann man nicht covern – ihre Lieder fallen sofort auseinander, wenn sie nicht mehr vom Reißverschluss der hageren Jungs mit der großen Klappe und den sticky fingers zusammengehalten werden. Die meisten Stones-Songs sind im Grunde Variationen von Honky Tonk Woman oder I can’t get no satisfaction. Das macht aber nichts.
Frieden im Fanclub
Als weiser Internet-Salomon sage ich: Du kannst die Beatles lieben und trotzdem mit einem Whiskey-Cola in der Hand It’s only rock ’n’ roll, but I like it in die verrauchte Kneipenluft brüllen. Du kannst dem ledrigen Mick im Seniorenfitnesscenter nachhanteln und trotzdem fasziniert der originellen Instrumentierung von Strawberry Fields lauschen.
Britpop mit Benimm
Learning from the stars: Die beiden britischen Bands gehen zivilisiert miteinander um – Ringo trommelte auf Keith Richards’ Soloalben, Mick grölte bei All you need is love im Chor mit, Brian Jones gniedelte bei Beatles-Sessions auf der indischen Sitar rum.
Dezibel der Eitelkeit
Vor ein paar Jahren provozierte der Musikjournalist Howard Stern McCartney zu der Aussage, dass die Beatles natürlich die bessere Band waren. Mick Jagger konterte: „Wir spielen seit den Siebzigern in Stadien. Und die Beatles? Existieren nicht.“ Wo er recht hat …
A day in the life of two fools
Solange die Wahl zwischen Beatles und Stones ein harmloser Gesinnungs-Stunt ist, bleibt sie nur ein kultureller Psychotest. Für mich als Lackschuhgalan und Seidentuchdandy ist die Sache klar – für Annabella auch. Sie kommt gerade von einer Enteignungsdemo und summt Paint it black vor sich hin. Ich lächle und denke: You can’t always get what you want.
Wer hier zum ersten Mal vorbeischaut: Ich bin Mark Scheibe, ein freundlicher Snob, der mit seinem Steinway-Flügel auf einem Hausboot lebt. Ich gelte als weltweit ignorierter Künstler. Ein Geheimtipp bin ich als Opernkomponist und Jazzsänger. Auch als Schlagertexter, Astrologe und Marathonläufer halte ich mich aus Anstandsgründen dem Glitzerlicht der öffentlichen Bewunderung fern. Mit meiner wöchentlichen Kolumne „Sonntagskind” versuche ich mich vor dem natürlichen Andrang auf mein stetig wachsendes literarisches Oeuvre zu verstecken.
Aus der Kajüte der Erkenntnis
I. Entscheidungen sollten dem Handeln vorbehalten sein. Im Denken und Lieben gilt das Sowohl-als-auch.
II. Man hört Beatles, um sich selbst zu erkennen.
III. Man hört die Stones, um sich selbst zu vergessen.
Something in the way you write …
Please Mr. Postman:
Neu erfundene Wörter im 212. Sonntagskind: Vinyl-Veganer, Sgt. Softheart, mackern, Treppenliftindustrie, Internet-Salomon, nachhanteln, Gesinnungs-Stunt, Lackschuhgalan, Seidentuchdandy, Enteignungsdemo.
Diese Vergleichskultur und was besser oder schöner ist Ende bei germany's next Topmodel darin dass ich 16-Jährige in Unterwäsche fotografieren lassen und die Mädchen bei YouTube sich mit schminkvideos bezaubern lassen von den neuesten Chemikalien die sich ins Gesicht schmieren können. Musik ist einfach anders. Musik muss man nicht mögen Musik ist dann wichtig wenn man sie fühlt aber ich kann genauso gut von The Prodigy Firestarter zu norah Jones wechseln und ich mag es wenn sich die Gefühle dann anpassen. In meinem Kopf läuft sowieso immer Musik eigentlich brauche ich überhaupt gar nichts von außen hören ich höre teilweise diverse Alben gleichzeitig aber das liegt auch daran dass mein Kopf kaputt ist. Ich danke dir für deine Kolumne man muss gestehen ich beneide dich sehr über dein hausboot mit Steinway Punkt du hast alles richtig gemacht vielleicht nicht immer aber unterm Strich ja 😉