„Ich will eine Komödie spielen!“ ruft die Schauspielerin Angela Winkler in der Berliner Schaubühne ins Mikrophon. Gerade hat sie die Theaterfassung von Christian Krachts Roman „Eurotrash“ gespielt.
Dass ich am Ende dieser zweieinhalbstündigen Obduktion einer vergifteten Mutter-Sohn-Beziehung nicht völlig deprimiert über den Ku’damm schlurfe, liegt an den beiden Bühnenkünstlern Angela Winkler und Joachim Meyerhoff.
Ohne die beiden wäre jedes SUV-Scheinwerferpaar auf der Prachtmeile eine schreiende Einladung in den Freitod wegen Trostlosigkeit. Der Lietzensee auf dem Heimweg wäre ein Erlösung verheißendes Paradies von lebensgefährlichem Sog. Die Schienen beim Bahnhof Charlottenburg das Gleis der Befreiung von diesem trostlosen Joch. Das Leben ist schließlich ausweglos, das Theater hat das gerade unmissverständlich klargemacht.
Aber ich kann ganz ohne Suizidneigung durch Westberlin schlendern. Die drei Ladies, die aus der Tür der Pizzeria gegenüber der Schaubühne auf den Gehsteig stöckeln, sind nicht die Horrorhexen aus Macbeth, sondern Wesen der gleichen Art, die sich nach Sinn und Liebe sehnen. Was spricht dagegen, ihnen im Vorbeigehen ein freundliches Lächeln zu schenken?
Gute Laune trotz tragischer Texte – das liegt an den beiden Schauspielgenies: sie kümmern sich um mich, spielen nicht nur ihre Figuren, sondern auch mit mir. Mit meinen Gefühlen, meiner Aufmerksamkeit, meiner Neugier. Sie sorgen dafür, dass ich mich für sie interessiere. Dass ich während des Stücks existenziell beschäftigt bin. Nach kurzer Zeit bin ich sicher, dass sie nicht zulassen würden, wenn ich in Hoffnungslosigkeit versänke. Vielleicht, weil sie selber die besten Beispiele gegen Hoffnungslosigkeit sind? Sie tun, was sie lieben und zeigen es.
Der Text ohne die beiden kommt mir wie ein virtuoser Freiflug in den Abgrund vor. Kein Happy End. Aber heute ist nicht nur eine der vielen ausverkauften Vorstellungen, sondern auch Angela Winklers 80. Geburtstag. Darum kommen nach dem Schlussapplaus hochrangige Theaterleute zum Gratulieren auf die Bühne. Nach den Glückwünschen sagt Angela Winkler dann den Satz mit der Komödie.
Wahrscheinlich denken die Spielplanschöpfer der großen Schauspielhäuser, dass Komödien doof sind. Vielleicht glauben sie, dass es keine echte Kunst ist, wenn es was zu lachen gibt. Kommt daher die Dystopieschwemme auf den städtischen Bühnen? Der Elendsfetisch deutscher Dramaturginnen sorgt für Ernst und Entbehrung, solange die Glaubenssätze in der Intendanzetage diese sind:
Keine Kunst ohne Kummer.
Sag Ja zum Joch!
Nur Trübsal hat Tiefe.
Hoffentlich schallt Angela Winklers Ruf bald durch die Theaterflure. Ich würde es lieben!
Wie musste Kortner mal zugeben, als er erwischt wurde: "Ja, ich habe gelacht, aber unter meinem Niveau."
Lieber Mark. Du sprichst mir mit jedem Satz aus der Seele. Danke mal wieder für diesen wunderbaren Text. Angela Winkler und Joachim Meyerhoff, einfach nur zu bewundern. Liebe Grüße nach Berlin aus Bremen. Karen Buder