„Wir fahr-önn nach Pari, oof eine Bateau dans la Seine, wir spiel-önn einö Konnzertö, es gibt drei Undert Markö.“, rief mich eines Tages ein befreundeter Musiker an, der mal in Paris gelebt hat. Das klang nach Abenteuer – ich konnte mein Glück nicht fassen!
Der Franzose, war ein fabelhafter Hochstapler: immer so angezogen, als käme er gerade aus dem New Yorker Studio 54, spielte er Gitarre. Also, er tat so: er rutschte mit seinen schlanken Fingern über das Griffbrett und täuschte komplexe Akkorde vor. In Wirklichkeit waren seine Bewegungen Zufall. Weil er die Saiten tonlos abdämpfte, hörte man nur einen gekonnten Schrapp-Schrapp-Rhythmus. Der swingte allerdings! Dabei blickte er versunken durch seine Filmemacherbrille und konzentrierte sich auf seine Wirkung, das hat immer funktioniert.
Seine Freundin war Jazzsängerin, aber sie konnte sich keine englischen Texte merken. Stattdessen sang sie so, dass es wie Russisch klang. Ich saß in dem Trio am E-Piano und spielte Jazzklassiker wie „Summertime“, das hieß bei uns dann „Priwе́t njet“. Vor einem betrunkenen Publikum funktionierte unser Programm ganz fabelhaft.
Ein paar Tage nach dem Anruf holten mich die beiden sehr früh am Morgen mit ihrem VW Jetta ab, wir hievten das E-Piano in den Kofferraum. Im Auto roch es nicht gut, weil irgendwann mal eine Tüte Milch auf der Rückbank ausgelaufen war. Außerdem hatte der Fahrer mit der Jazzgitarre eine prächtige Fahne. Hinten saß die Sängerin mit der Taiganeigung und erschnupperte wohl etwas. Sie beugte sich vor: „Mon amour, hast du etwa getrunken?“ Der Fahrer drehte sich mit einem gekonnten Heiratsschwindlerlächeln zu ihr um und entgegnete mit sonorem Wodkabass: „Cherie, wo denks du iin!“ „Ein Glück“ sagte sie, „ich dachte schon!“ Alle paar Kilometer musste der Fahrer halten. Er sagte jedesmal etwas wie: „Iesch muss nachse-önn etwas ön die Koffer-Raumö.“ Dann sah man im Rückspiegel die Klappe hochgehen, anschließend dünstete der Lebenskünstler noch etwas mehr Fusel aus.
Irgendwann kamen wir gerade rechtzeitig an, gingen aufs Schiff und bauten die Lautsprecher, das Mikrophon und das E-Piano auf. Eine feine Gesellschaft feierte recht kultiviert auf dem Bateau Mouche, wir sollten auf der romantischen Fahrt unter den Brücken der Stadt der Liebe den entsprechenden Soundtrack liefern. Nach ein paar Takten „Priwе́t njet“ rannte der Veranstalter mit weit aufgerissenen Augen auf uns zu und machte mit gespreizten Fingern schnelle beidhändige Winkbewegungen vor uns. Als könnte er das, was wir da machten, löschen. Wir mussten sofort aufhören. Für den Rest der langen Bootsfahrt durch die Nacht saßen wir erschöpft, hilflos und verarmt an der Reling. Wir schliefen im Auto, dann fuhren wir zurück. Von den drei Undert Markö war gar keine Rede mehr.
Herrlich schräge Story