Liebe Sonntagskindleserinnen, Freunde der unterhaltsamen Frühstücksliteratur,
gestern schrieb Moritz Rinke im Weser-Kurier von den Tücken des Schwarz-Weiß-Denkens. Vom gnadenlosen Entweder-Oder in den erhitzen Köpfen. Vom bequemen Schritt einer komplizierten Frage zu einer brutal behaupteten Ideologie, die keine Lösung bringt, aber wenigstens eine starke Emotion.
Ich bemitleide alle, die sich über ein Feindbild Profil verschaffen und mache mich heute über sie lustig. Ich weiß, dass ich als Lieferant bekömmlicher Frühstückliteratur eine große Verantwortung trage und mit dieser Kolumne die Grenzen der mentalen Hygiene sanft touchiere. Ich bitte dafür um Verzeihung und wünsche einen hervorragenden Sonntag mit Liebe und Bedacht. Neulesenden empfehle ich ein Sonntagskind-Abonnement:
Wer den ganzen Tag auf Instagram verbringt, merkt schnell, wie langweilig das eigene Leben ist. Während alle Anderen im Hochglanz ihres Erfolges um die Welt strahlen, ist das eigene Dasein ein erbärmliches Kriechen durch den von belanglosen Gedanken gepflasterten Alltag. Schnell wird man depressiv und fühlt sich nutzlos. Da kann ein Feindbild helfen. Hier sind drei Top-Feindbilder gegen die Ödnis der eigenen Gedanken!
So billig wie gerade jetzt sind sie sonst nicht zu haben. Im heutigen Angebot ist für alle was dabei, je nach Neigung, Milieu, Einkommen, Alter. Es ist ganz schön schwer, da nirgendwo zuzugreifen, bei dem günstigen Preis! Während man noch vor ein paar Jahren die Pflege eines Feindbilds mit dem Verlust der Teilnahme an der Gesellschaft finanzieren musste, reichen heute ein paar Entfreundungen auf Facebook aus. Der Zugewinn aber ist enorm: ein bunt schillerndes, lebendiges Feindbild bringt willkommene Abwechslung in den tristgrauen Seelenporno des einsamen Lebens. Hier drei aktuelle Sonderangebote, 1a Feindbilder mit Gratisnarrativ:
ISRAEL – der kolonialistische Gewaltstaat, der seit 1948 seine friedliebenden arabischen Nachbarn terrorisiert. Mit seiner dauerhaften Aggression schürt er den zunehmenden Antisemitismus in der Welt und ist rückblickend am Terror vom 7. Oktober selbst schuld. Und am Holocaust eigentlich auch. Kostenpflichtiges, aber immer noch günstiges Feindbild-Topping: die NATO: Durch ihre andauernde militärische Provokation hat sie die russische Staatsführung bei ihrem empfindlichen Demokratieprozess behindert und in die Enge getrieben. Deren einzige Chance: die vom Westen indoktrinierte Ukraine überfallen.
DAS WOKE GESINDEL – Naive Klimakinder und sprachvergewaltigende Genderterroristen unterwandern mit ihrer Befindlichkeitsideologie das öffentliche Leben. Wer sie nicht aufhält, muss seine veganen Zwangslebensmittel bald mit dem Lastenfahrrad einkaufen. Es herrscht ein gesellschaftsübergreifendes Flirtverbot. Als In-App-Kauf gibt es bei diesem Feindbild noch das MAINSTREAM-MEDIEN-Paket dazu: Staatsfernsehen und Lügenpresse verschwulen unsere Kinder.
DER KAPITALISMUS – deine privaten Probleme sind in Wirklichkeit die Folge eines perfiden Ausbeutungsmechanismus. Die kapitalistische Manipulation geht so weit, dass du dich für die Dinge, die du nicht auf die Reihe kriegst, schon selbst verantwortlich fühlst. In Wirklichkeit fickt dich das System, begreif es endlich.
Nicht unter den Sonderangeboten ist das teuerste Feindbild, der ISLAM: Bei Verunglimpfungen des Propheten ist mit Enthauptungen zu rechnen. Im Vergleich zu erzürnten islamistischen Fanatikern wirkt die Mafia wie eine WALDORFSCHULE, die ihrerseits ein sehr günstiges Feindbild ist. In der Waldorfschule werden unsere Kinder zu verweichlichten Idioten erzogen, die später die Grünen wählen.
Das Gute ist: über ein Feindbild lässt sich hervorragend ins Gespräch kommen und so zu einem leidenschaftlichen Austausch in unserer Gesellschaft beitragen. Damit man weiß, wen man beschimpfen soll, empfehle ich Buttons fürs Revers mit schmissigen Sprüchen. Ein flotter Reim bringt Andersgesinnte leicht auf 180. Hat man das mentale Tempolimit erstmal hinter sich gelassen, ist es kaum möglich, ein Argument von einer Behauptung zu unterscheiden. Hier ein paar Entwürfe für die erfolgreiche Gesprächsprovokation – einfach ausdrucken, auf eine Pappe kleben und an die Jacke pinnen!
Hier noch die Vorlage für einen von Friedrich Merz inspirierten Aufkleber:
Der Flüchtling eignet sich besonders gut als Feindbild:
Sehr beliebter Gedanke derzeit:
Ich persönlich bevorzuge sehr teure Feindbilder. Luxus-Sündenböcke sozusagen. Vorverurteilungen aus dem Premiumbereich, die es nicht an jeder Straßenecke gibt. Ich suche noch und spare, bevor ich mich entscheide, wem ich meinen Ärger widme. Wer mich bei diesem kostspieligen Vorhaben unterstützen möchte, kann das gern hier tun:
Gibt es in deinem Freundeskreis jemanden, den du mit dieser Kolumne provozieren kannst? Nur zu!
Raum für gepflegten Austausch gibt es hier:
Bis nächsten Sonntag,
Euer Mark
Lieber Mark,
deine Aufkleber-Vorschläge haben meinem Sonntag definitiv Auftrieb gegeben. Ich muss jetzt nur noch meine Button - Maschine aus den 70ern wiederfinden!
Also das gefiel mir heute sehr, nachdem ich aus einem Traum aufwachte, in dem ich meine umliegenden Menschen voller inbrünstiger Wut anschrie um sie irgendwie aus dem Irrsinn aufzuwecken. Liebe Grüße