Ich bin vor allem bei meiner Mutter aufgewachsen. War sie mal nicht da, kam ich zu meiner Oma. Ich war seit meiner ersten Freundin nie allein, nonstop in love. Später bekam ich eine Tochter. Ich liebe zwei Frauen und lebe mit ihnen, in zwei Städten. Zwei anderen Freundinnen, die ein Paar sind, bin ich der biologische Vater ihrer Tochter. Ich bin wohl ein Frauentyp. Ich bin durch meine Biographie auf frauenspezifische Bedürfnisse konditioniert, ich wurde so erzogen.
Hier ein ganz alltäglicher Schnappschuss, den Photograph Martin Peterdamm zufällig von mir gemacht hat.
Ich halte die Tür auf, helfe in den Mantel und lasse den Vortritt. Dabei bin ich fast so zwanghaft wie der berühmte Journalist Peter Scholl-Latour. Ich war dabei, als er in seinen letzten Lebensjahren die Hälfte der Kundschaft einer Edekafiliale im Prenzlauer Berg verärgerte: als entschlossener Galan ließ er sämtliche Frauen an der Kasse vor. Er trug eine Uniform der Fremdenlegion und gab sich charmant. Hinter ihm staute sich die Männerwelt.
Der 2014 verstorbene Nahostexperte und ich sind einer Meinung: solange Frauen benachteiligt werden, müssen sie bevorzugt behandelt werden – das ist ja auch die Idee der Quote. Denn die Berufswelt – die Politik, die Forschung, die Chefetagen – waren über Generationen hinweg in Männerhand. Erst seit 1977 dürfen deutsche Ehefrauen ohne Erlaubnis ihres Mannes arbeiten gehen. Trotzdem bekommen Frauen für ihre Arbeit im Schnitt 18 % weniger als Männer für die gleiche Tätigkeit. Journalistinnen, Ärztinnen und Verkäuferinnen kriegen von tausend männlichen Euros einfach nur achthundertzwanzig. Deutschland ist hier europaweit auf dem drittletzten Platz. Nur im Pornobiz ist es andersrum, da verdienen Darstellerinnen ein Drittel mehr als ihre männlichen Kollegen.
Jede dritte Frau konsumiert regelmäßig Pornos. Dabei sind fast alle Pornos aus einer egoistischen Männerperspektive gedreht, mit überschaubarem erotischen Horizont: ein anabolikagestählter Grobian, der nie lächelt, zwängt einer nur knapp volljährigen Kindfrau sein steinhartes Geschlecht auf. Sie findet Gefallen daran, beim Oralsex keine Luft zu bekommen und freut sich, dass sie so kompromisslos erniedrigt wird. Der Höhepunkt des genitalcineastischen Werks ist als Schauspiel der Natur inszeniert: das männliche Ejakulat, oft durch zusätzliche Flüssigkeit filmisch angereichert, landet wie eine Reviermarkierung im Gesicht der Darstellerin. Diese schaut dabei glücklich und verzückt wie Maria beim Anblick des Jesuskinds.
Eine Ausnahme bilden die Filme der schwedischen Regisseurin Erika Lust. Sie dreht ethische, manche sagen feministische Pornos.
Erika Lust, Pionierin des ethischen Pornofilms. Photo: Wikimedia Commons
Erika will echte Lust darstellen. „Es geht um Menschen, nicht um sich penetrierende Werkzeuge”, sagt sie in einem Spiegelinterview1. Für den Preis eines Netflixabos findet sich auf Erika Lusts Seite eine geschmackvolle und nicht minder aufregende Alternative zum Ramschprogramm von Pornhub & Co. Die Crew an Erika Lusts Set besteht von der Kamerafrau bis zur Tontechnikerin übrigens ausschließlich aus Frauen – sehr branchenkonträr.
Wenn ich selbst Pornos schaue, dann nur noch die von Erika Lust. Die konventionellen Werke des Untenrumgenres bieten mir keine Identifikationsfiguren. Auch mit viel autoerotischer Phantasie kann ich mich nicht als übertrainierten Egorammler mit ausrasiertem Nacken imaginieren. Und Peter Scholl-Latour möchte ich in einem Porno lieber auch nicht begegnen.
😂😂mein Vater hat ja immer behauptet, in seinem Leben gäbe es mit einer Ehefrau, zwei Töchtern und einer dominanten Mutter genug Weiblichkeit für ein ganzes Männerleben. Werde ihm berichten, dass es überhaupt keinen Grund gibt, sich mit dieser Bilanz zu brüsten 😂😂