Einen wunderschönen Sonntag, liebste Sonntagskindgenießerinnen, Weekend-Bonvivants und Frühaufsteher – herzlich Willkommen auch den vielen neuen Abonnierenden, die in der letzten Woche Teil dieser vorzüglichen Mailgemeinschaft geworden sind – ich wünsche nun viel Freude mit dem 210. Sonntagskind.
Ausnahmsweise applaudiere ich mir selbst: Für den Versuch eines Gesprächs.
Hackedicht stürzt ein Mann in den S-Bahnwaggon und schreit, dass die Scheißansage zu laut wäre. Er brüllt direkt neben mir, mit der Wodkaflasche in der Hand. Ich sage ihm, dafür sei sein Beitrag ja geradezu von erhabener Stille.
Zu meiner Überraschung schenkt mir der abgewrackte Drogenmann ein Lächeln und lässt sich auf die gegenüberliegende Bank fallen. Er beugt sich vor und bietet mir einen Schluck an. Ich trinke nicht. Er macht ein Gesicht, als wollte er sagen: „Respekt!“ und wechselt blitzschnell wieder in den Psychomodus: pfeffert die Flasche auf die benachbarte Sitzbank, schreit die Pulle an und versucht, sie auf dem Polster zu zertreten, wovon ich ihn gerade absänftigen kann.
Aufgedunsene, blutige Hände. Von einer Schlägerei, der er sich vor mir rühmt, als hätte er seinen Eltern eine Eins Minus im Mathetest mit nach Hause gebracht.
Er erzählt von seinem Sohn und vom Knast, dabei wirkt er auch ohne Gitterstäbe wie gefangen. In seinem unterirdischen Selbstbild – und seinen goldenenTräumen. Wann siehst du deinen Sohn wieder, frage ich ihn. Er antwortet mit „Wenn du irgendwas brauchst, irgendwas, ruf mich an.” Wenn du mit deiner Freundin einen romantischen Abend verbringst, sagt er, komme ich mit einem 7er BMW vorbei und bringe erstklassiges Apothekengrass – dabei macht er mit seinen blutverschmierten Fingern die Gourmetgeste mit Daumen und Zeigefinger nah den gespitzten Lippen – und ganz reines Kokain, so etwas kriegst du sonst nirgendwo in der Stadt, ist er sicher.
So weit kommt’s noch: Ich diskutiere mit Kellnern in italienischen Restaurants, weil das Wasser von San Pellegrino ein Produkt der Firma Nestlé ist – und beim Kokain rede ich mir ein: Wird ja bestimmt fair gehandelt! Wegen dieses Gramms Koks ist doch niemand zerstückelt worden, oder? Applaus für die innere Instanz, die Ausnahmegenehmigungen erteilt.
Ich sage ihm, ich kenne einen Trick, mit dem sich seine dringendsten Probleme binnen weniger Wochen lösen lassen. Er hört mich nicht. Die Geschichte des gebrochenen Jungen, der verlassen und verraten wurde und jetzt nicht anders kann, ist einfach zu laut. Noch lauter als die Scheißansage in der S-Bahn.

Neulich spielte ich auf einer Preisverleihung. Während der Zeremonie erfand ich anfeuernde Musik – immer, wenn die Moderatorin jemanden ankündigte, spielte ich etwas Aufbrausendes am Flügel, bis die Person dann auf der Bühne stand – im Applaus und in Musik badend. ich liebe diese Art von spontaner Komposition.
Bei der Probe saß auch eine junge Schauspielerin auf der Bühne, um zwischen den Auszeichnungen bestimmte Texte vorzulesen. Als gerade nichts passierte, fragte ich, ob sie fest an einem Theater wäre. Sie entgegnete: „Ich bin gerade nicht so für Smalltalk, sorry.“ Ich sagte: „Verzeihung, das war gar nicht so small, sondern echtes Interesse!“ – Sie, mit abwehrender Handbewegung: „Alles gut, alles gut. Kannst ja mal googeln.“ Ah, super Idee. „Kannst ja mal googeln” – Die Probe geht weiter, ich sitze rum und verarbeite das Kommunikationsdesaster mit der Killerzeile am Ende in einem flugs hingekritzelten Songtext:
He du, was machst du so?
Bist du ein Moviestar
oder bist du CEO?
Bist du ein Tiktokhit,
umgibt dich ein goldner Glow?
Bist du der neue Supervamp
oder kenn ich dich vom Dschungelcamp?
Kannst ja mal googeln.
Check mich aus.
Kannst ja mal googeln.
Check mich ein
in deinem Mind.
Check mich ein
in deinem Mind.
Wäre ich eine schlaue Mittzwanzigerin in Berlin, , würde ich diesen Song singen wollen und upcoming popstar werden. Ich träume mich in ein young female popstarlife hinein wie mein Junkiebekannter in seine Drogendealer-Existenz:
Statt mit einem 7er BMW komme ich aber mit dem Raumschiff:
Ich bin eine sehr moderne Nina Hagen aus der Zukunft. Meine Musik ist inspiriert von Hip-Hop, Punk, Jazz, Oper, Klassik und Elektro. Sie klingt wahnsinnig neu und modern mit superexpressiven und gleichzeitig kühlem Gesang – trotzdem stehe ich sicher auf dem kulturellen Fundament des 19. Jahrhundert.
Das Gute ist: Niemand muss diese Arbeit mehr machen. Genau diesen Prompt und meinen kleinen Songtext kopiere ich in Suno 5, die Musikerfindungsteufelsmaschine der Gegenwart – und ein paar Sekunden später ist der Song Realität. Klingt leider verdammt gut.
Wer auch immer es will, kann diesen Prompt weiterspinnen und ein ganzes Album, ach was, zehn, hundert Alben in diesem Stil erstellen – ein imaginäres Lebenswerk binnen Sekunden.
Müssen wir noch miteinander reden, um einander misszuverstehen? Die Maschine hört wenigstens zu – und widerspricht nicht. Ich applaudiere. Metropolis 2.0.
Kannst ja mal googeln.
A U S D E R K A J Ü T E D E R E R K E N N T N I S
I. Wer sich selbst googelt, findet selten, was ihm wirklich fehlt.
II. Die gefährlichste Droge ist das eigene, starre Narrativ.
III. Man kann alles delegieren – außer der Verantwortung für den eigenen Traum.
IV. Auch KI läuft nur mit dem teuersten Treibstoff: menschliche Sehnsucht.
Statt San Pellegrino: Römerquelle! Einfach das beste Wasser – aber kostet. Wenn Du nicht mitansehen kannst, wie ich dieses erbärmliche Billigwasser trinke, schmeiß einen Geldschein in den Hut:
Was war Dein schlimmstes Kommunikationsdesaster?
Lies doch noch eine Kolumne, zum Beispiel diese hier:
Orgasmusopfer
Einen wunderschönen Sonntag, liebste Sonntagskindgenießerinnen, Weekend-Bonvivants und Frühaufsteher – herzlich Willkommen auch den vielen neuen Abonnierenden, die in der letzten Woche Teil dieser vorzüglichen Mailgemeinschaft geworden sind. Ich freue mich, Euch ab jetzt wöchentlich Frühstücksliteratur servieren zu dürfen. Heute schreibe ich Euch aus e…
Oder diese hier:
Angst vorm Dschungelcamp
Manchmal fragen mich Leute, warum ich eigentlich nicht schon längst berühmt bin. „Du hast schon so viel gemacht, die tollsten Theater, Riesenkonzerte, Fernsehshows, Elbphilharmonie, Hits geschrieben, die keiner kennt. Warum nur?” Liest man die Auflistung der vielen Projekte in meinem Leben, ist das sogar für mich selbst beeindruckend. Dann
Also das mit dem Import von Wasser aus dem Ausland verstehe ich auch nicht aber hier in Bremen haben wir eigentlich sehr gutes leitungswasser bis mein Nachbar ein Test gemacht hat und dann rausgefunden hat dass wir angeblich bleileitungen haben und deswegen die ausgetauscht werden müssen das ist ein riesenaufwand war dabei wohnen wir hier in einem drogenviertel wo die ganze Zeit Kokain und Rauch und Dreck und Hunde und Kotze überall ist man kann hier wirklich nicht davon sprechen dass das irgendwie hygienisch wäre naja egal also ich finde solche Situationen wie in der S-Bahn in Berlin habe ich auch schon gehabt allerdings brauche ich das nicht deswegen bin ich ja nicht gegen öffentliche Verkehrsmittel nicht weil sie nicht sinnvoll wären aber weil es einfach ekelhaft ist und das mit der Musik finde ich krass was da heutzutage abgeht ich mache immer noch gerne meine eigene Musik und sie ist vielleicht nicht so gut und nicht Radio tauglich aber es ist halt meine und deswegen liebe ich sie auch denn Musik ist Liebe;)))