Verehrte Sonntagskind-Reader, geliebte Tausendschaft,
heute freue ich mich, Euch die 114. Sonntagskind-Kolumne auf den Frühstückstisch legen zu dürfen. Studiert auch gern das für den elitären Zirkel meiner Leserinnen milieukonträr gestaltete Titelblatt. So etwas fasst man normalerweise höchstens im Wartezimmer eines Krankenhauses an. Hier, im Schutz der Kunst, kann es ganz angstfrei ohne Imageverlust genossen werden. Jetzt aber Schluss mit der Ironie, zuviel davon schafft Distanz! Viel Freude mit „Links und rechts 'n paar”, habt einen herrlichen Sonntag.
P.S.: Wer heute zu faul zum Lesen ist, hört den ersten Sonntagskind-Podcast! Er kommt gleich mit separater Mail. Zum Glück habt Ihr mir soviele Audionachrichten geschickt, in denen Ihr den Titel gesprochen habt. Ihr hört euch alle am Ende der Episode. Viel Freude!
Dieses Titelbild ist aus innerer Notwendigkeit entstanden, es musste raus. Bin ich nicht der Van Gogh der postmodernen Collage?
Meine Freundin Madame C. (Name ist der Red. bekannt) sagt, die Geschichte mit den provokativen Koranverbrennungen in Skandinavien sei in Wirklichkeit ein Kindergartenproblem, etwa so: in der antiautoritären Kita „Demokratiewichtel Nord“ buhlen zwei Streithähne um den Beistand der Erzieherin.
Thor und Ahmed
Jeder der beiden will den Segen von oben, jeder fühlt sich zu hundert Prozent im Recht. Der kleine Thor hält ein Buch in der Hand und will es ins Lagerfeuer im Kitagarten werfen. Der kleine Ahmed protestiert. Thor: „Aber es ist mein Buch! Meine Eltern haben es mir gesche-enkt! Ätsch, es ist meins, ich mach damit, was ich will!“ Ahmed: „Aber da sind meine Lieblingsgeschichten drin! Wenn du das Buch kaputt machst, mach ich dich kaputt! Ich will, dass du stirbst!“ – „Aber die Geschichten sind voll doof, ich verbrenn die!“
Vorschule der Demokratie
Madame C. sagt, sie als Erzieherin würde eingreifen: „Bei euch beiden piept’s wohl! Hier! Links und rechts ’n paar, für jeden von euch!“ Zum Zündelfinken: „Lass deine Scheißlaune gefälligst nicht an anderen aus, du läufst jetzt solange ums Haus, bis du nicht mehr kannst. Wenn du das Buch nicht magst, verschenk es, aber sei nicht so ein Kotzbrocken.“ Zum Zorngnom: „Ich weiß, es tut weh, aber du musst jetzt stark sein. Deine Lieblingsgeschichten trägst du in deinem Herzen, die kann dir keiner nehmen. Wenn du aber so ausrastet, machst du genau, was der fiese Thor will und bist genauso ein Arsch – und er lacht dich aus. Und dann haben wir hier bis in alle Ewigkeit Dauerzoff. Das wollen wir nicht, wir sind schließlich die Demokratiewichtel. Nicht die Terrorschlümpfe und auch nicht die Shariazwerge.“
Problem gelöst. Ich finde, Madame C. hat Recht. Wenn es doch nur so einfach wär! Leider sind die Beteiligten dieses Kindergartenproblems wundgelebte Erwachsene mit Lust auf Hass. Ich fürchte, da kann man nichts machen. Ohne Nächstenliebe keine Verwandlung, ganz gleich, ob Schlumpf, Wichtel oder Zwerg.
Das innere Kraftwerk
Das Gemeine ist, dass Liebende keinen Anspruch haben, zurückgeliebt zu werden. Hassende können hingegen sicher sein, dass ihr Hass auf Gegenhass trifft. Insofern ist der Weg des Hasses erfolgversprechender als der der Liebe. (Geniale Geschäftsidee für ein teures Coachingprogramm, Anm. d. Red.) Dir steht unendliche Kraft zur Verfügung, wenn du liebst. Das, was dich sonst schwächt, wird zu deinem Kraftwerk. Die Welt ist ein Geschenk, ein reich gedecktes Buffet. Du willst sie umarmen, wenn du liebst, die ganze Welt.
Mit der Kunst ist es genauso: Du liebst, wenn du ein Bild malst, eine Geschichte schreibst, dir Musik ausdenkst, eine Szene auf die Bühne bringst oder was auch immer. Wenn dir dann die Verwandlung gelingt, von etwas in dir drin in etwas außer dir, hast du die Welt ein bisschen besser gemacht. Tausende Poesiealben wissen: die Liebe vervielfacht sich, wenn sie geteilt wird. Wenn du richtig Glück hast, geht sie viral.
Posthume Millionen
Vincent van Gogh hat sein Leben lang kein einziges Bild verkauft, während den Händlern seiner Gemälde heute Millionen nachgeschmissen werden. Was für ein Liebeswerk! Van Gogh war meistens total abgebrannt und hat dann doch lieber Farbe als Brot oder gar Champagner gekauft. Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass er seine Sicht auf die Welt so geliebt hat, dass er nicht anders konnte als sie in Bildern festzuhalten.
Ich wünsche den Terrorschlümpfen und Shariazwergen, dass sie etwas finden, das sie lieben.
Das Bild „Der Sämann“ von 1888 begleitete meine Kindheit, es hing als Druck an der Wand. Als Kind habe ich nie gedacht: „Hä, was soll denn der grüne Himmel, ist ja voll unecht.”
Ich bin nicht mal halb so genial wie der Erfinder des psychedelischen Expressionismus, habe aber tausendmal soviel Glück: ich bade in Applaus und Anerkennung, kriege Mails, die mein Ego streicheln und Geld für meine Arbeit, sogar manchmal für diese. Sonntagskind bleibt so gratis wie der Sonnenschein. Wer trotzdem einen Obolus übrig hat, nutzt den PayPal-Button. Ich danke sehr!
Wer anderer Meinung ist als Madame C. und ich, widerspricht im Kommentar. Auch Zuspruch wird nicht ignoriert.
Nicht jeder ist die Menüführung hier auf Englisch gewohnt. Dazu kommt hier und da verständlicher Trotz: „In Ballin werd ick schon anjeflaumt, wenn ick der Bedienung „Jeb ma ma ne schöne jefleechte Tasse Bohnenkaffee“ sage und es heißt ‚Plies spiek Inglisch‘. Ick gloob es hackt!” Auch aus diesem Grunde habe ich beschlossen, diese Plattform (Substack) zu verlassen. Die nächste Ausgabe erscheint dann bei Steady, einer deutschsprachigen Seite. Für euch ändert sich nichts, nur der Empfänger ist ein anderer. Ich kündige das dann noch in einer separaten Mail an.
Also die Zeitschrift die würde ich sofort abonnieren. Danke für den tollen Podcast und der Text hat mir auch ich muss das jetzt in "sagen gut gefallen denn es ist leider so wahr wie oft die Erwachsenen oder vermeintlich herrschenden Erdmännchen den Kindern versuchen zu erklären was richtig und falsch ist und dabei selber gar nicht mehr merken wie sie irgendwie kaputt selber sind. Danke auch für den Hinweis auf die steady Seite obwohl ich jetzt noch nicht rausgefunden habe wie man da eigene Texte veröffentlichen kann so wie ich das verstanden habe ist das nur eine weiterleitung zu anderen Homepages. Ach ja das Internet. Und danke auf jeden Fall noch mal für deine Gedanken, ich leite sie regelmäßig an alle meine Freunde weiter! 🙏🏻
charmant....und weise...