Der Fußballer Merih Demiral hatte letzte Woche diese hässliche Geste gemacht. Und damit gezeigt, wes Geistes Kind er ist. Völlig zurecht kriegt der unsympathische Millionär dafür Ärger. So wie Björn Höcke für seine Naziparolen Ärger kriegt. Der türkische Präsident aber kann nichts Anstößiges daran finden, den Jubel über ein Fußballtor mit dem Erkennungszeichen einer Mörderbande zu verbinden.
Damit ermutigt der Patriarch vom Bosporus Tausende türkischer Fans, es ihrem Fußballstar gleichzutun und mit kleinem und Zeigefinger Wolfsohren in die Luft zu recken. Um zu zeigen, wie ernst es ihm mit seinem Beistand für seine nationalistisch gesinnten Landsleute ist, kommt der Präsident extra nach Berlin ins Olympiastadion zum Viertelfinalspiel der Türkei gegen die Niederlande. Hier geben sich der Staatslenker, für den die Hamas eine Befreiungsorganisation ist, und die AfD mit ihren Remigrationsfantasien die ideologische Hand. Was für ein mentaler Kurzschluss!
Ich frage mich, ob wir manchmal etwas verwechseln. Wir reagieren ja sehr stark auf Symbole. Unsere Medien sind voll von abscheulichen Schilderungen: verhungernde Kinder im Gazastreifen, gefolterte israelische Geiseln, Vergewaltigungen und Hinrichtungen in der Ukraine, islamistische Messerkiller, Diktatoren überall und solche, die es werden wollen. Es ist nicht möglich, auf die Flut der menschlichen Tragödien, die hinter jeder einzelnen Meldung brandet, angemessen zu reagieren, menschlich zu reagieren.
Ich bin in meinem Mitgefühl überfordert und beobachte, dass es vielen von uns so geht. Mit jeder Grauensmeldung schalten wir in den seelischen Verwaltungsmodus. Ich merke, wie ich den Schreckensschreien aus aller Welt meine Empathie vorenthalte, weil sie mir sonst für die Bedürftigen in meiner Umgebung fehlt. Für die Obdachlosen, Bettlerinnen, Gestrandeten. Ich will nicht abgestumpft an ihnen vorbeiziehen und ihnen das Gefühl geben, die Luft, die ich atme, sei eine andere.
Während die Headlines des Horrors unter unserem Achselzucken vorbeitickern, schenken wir symbolischen Handlungen unsere ganze aufgestaute Leidenschaft: Der Fußballer macht den Wolfsgruß, Höcke ruft „Alles für Deutschland!“, gedankenarme queere Studentinnen beschmieren Hochschultüren mit Vernichtungssymbolen der Hamas – das regt uns auf! Wir diskutieren Verbote und Strafen.
Es kommt mir so vor, als würden wir beim Ausloten der Meinungsfreiheit vor allem darüber streiten, wie sichtbar ein Problem sein darf. Als ob wir Thermometern das Anzeigen bestimmter Temperaturen untersagen, weil man an ihnen den Klimawandel ablesen kann. Ich weiß, dass der Vergleich ein bisschen humpelt. Aber der Fuß sitzt locker, wenn es darum geht, dem Boten fürs Überbringen schlechter Nachrichten ein Bein zu stellen.
Ein weniger gefährlicher Beruf als Bote ist Finanzdomina: Männer bezahlen die Finanzdomina, um von ihr ignoriert zu werden. Dabei ist der Akt des Bezahlens der erregende Teil – für beide, geniales Prinzip. Meist kommt es noch nicht mal zu einer Begegnung, das Ausbleiben einer Gegenleistung macht den perversen Kick aus. Lustgewinn durch Gewinnverlust, eigentlich logisch.
Die Finanzdomina Hope Vicious1 sagt, unter ihren Geldsklaven seien viele CEOs, erfolgreiche Unternehmer auf der Überholspur, solche Leute. Die türkische Nationalmannschaft war bis vor ein paar Stunden auch ein erfolgreiches Unternehmen auf der Überholspur, plötzlich macht alles Sinn!
Klare Sache, dass dieser besondere Fetisch der Elf aus Ankara innewohnt: Lustgewinn durch Gewinnverlust. Schade, dass die Jungs das nicht so richtig zeigen können.
Liebe sehr verehrte Sonntagskind-Leserinnen, Freunde der Frühstücksliteratur,
es ist Sonntag, der 7. Juli, hier ist das 149. Sonntagskind für Euch. Ich bin noch ganz gerührt von den vielen Geburtstagsglückwünschen, sie taten sehr gut – auf allen Kanälen Konfetti, ich danke sehr! Sollte Anna das hier lesen, die mir eine beflügelnde Klappkarte mit einem ermutigenden Zitat schickte, würde ich mich freuen, wenn sie mir eine Gelegenheit gibt, mich bei ihr zu bedanken. Ich weiß nämlich nicht, wohin ich zurückschreiben darf.
Nun aber genug von meinen Privatangelegenheiten, ich habe für Euch aufgeräumt auf der Sonntagskind-Seite. Weil das Stöbern in älteren Beiträgen sehr unübersichtlich geworden ist, habe ich alle bisherigen Kolumnen unter Rubriken geordnet. Du kommst am Besten dorthin, wenn Du in der Mail aufs ❤️ klickst, dann öffnet sich die Seite mit den Kategorien.
Danke fürs Lesen von Sonntagskind, der wöchentlichen Frühstücksliteratur im Internet! Zuverlässiger als ein Elfmeter beim Handspiel verschenke ich jede Woche eine Kolumne, um dem Untergang der Welt zu trotzen. Gratis und in bester Unterhaltungsabsicht mit Tiefgangsvorsatz. Wie wär’s mit einem Abo?
Wir Sonntagskindler werden immer mehr. Das passiert meistens über persönliche Empfehlungen, so ist es mir am Liebsten. Wenn Dir das hier gefällt, empfiehl mich gern in Deinem Freundeskreis – danke!
Bevor Du Dein ganzes Geld einer Finanzdomina überweist, überleg’ nochmal: es könnte bei mir besser aufgehoben sein. Ich ignoriere Dich für eine Überweisung aber nur auf besonderen Wunsch!
Ich freue mich über eine Nachricht von Dir!
Lass’ uns reden:
Ich empfehle in Ergänzung zu diesem Sonntagskind, falls es thematisch ein bisschen runterzieht, Ablenkung mit dieser Ausgabe:
Im Business-Insider gibt die Spezialistin für finanziellen Machtaustausch Einblick in ihren Alltag.
Noch spannender ist vielleicht für meine Leserinnen eine Anleitung, selbst in dieses Geschäft einzusteigen.
Ich war als 7 jähriger Fischkopp bei den Pfadfindern. Die Gruppe hieß auch die Wölfe und wir hatten den gleichen Gruß. Politik habe ich dabei überhaupt nicht hinterfragt (das geht einem Kind echt am Hinterteil vorbei). Antifuchs, Rapperin, hat 2017 eine Single veröffentlicht namens Leisefuchs, da nutzt sie im Video den auch und natürlich den Mittelfinger. Der Schweigewolffuchspfandfindergruß wird auch gerne in der Grundschule von Lehrern verwendet. Hitler hat sein Hakenkreuz von den Indern geklaut. Alles nur Symbole und Worte. Ich kenne AfD Wähler die mit Menschen aus fernen Ländern verheiratet sind. Menschen sind leider sehr dumm. Sonst gäbe es ja auch kein Fußball. Ich habe echt auch andere persönliche Dinge die mir wichtiger sind als ein paar 88 IQ lerInnen. Danke für diesen Sonntagsbraten 🙏🏻
Jedenfalls schon mal sehr gelacht heute morgen😎. Ist eigentlich bekannt, ob E. unter Umgehung des Nachtflugverbots Berlin wieder verlassen hat oder wurde auf die Schnelle ein Palast mit 1.000 Zimmern für ihn gefunden?