Es sind fast immer Männer, die Elend und Tod unter die Menschen bringen. Nicht, dass Margaret Thatcher nicht auch ein bisschen böse gewesen wäre – und Angela Merkel hat vielleicht den Horror von Flüchtlingen in libyschen Lagern gegen wirtschaftliche Interessen des Landes abgewogen. Von Signora Meloni dürfen wir keine Politik der Nächstenliebe erwarten. Aber Hitler, Stalin, Assad, Putin? Männer halt. Ich bin für eine Tyranninnenquote. Mächtige Frauen lassen schlimmstenfalls Kreuze abhängen oder Bibelverse übertünchen. Marine Le Pen wäre ja eigentlich zuzutrauen, dass sie Eltern homosexueller Jugendlicher einen Psychiater empfiehlt, aber das war Papst Franziskus. Der verbietet Pornos. Na gut, das würde Alice Schwarzer auch tun, wenn sie dürfte.
Korrekte Ästhetik
Laut „Forbes“ ist der mächtigste Mann der Welt Xi Jinping: die ZEIT nennt ihn einen „Unterdrücker mit Vision“ – gleich nach Amtsantritt hat er über eine Million Beamte und Parteimitglieder ins Gefängnis gesteckt. Im Schulunterricht gibt es statt Englisch Xi-Jinpingkunde. Fernsehsender werden zur Einhaltung der „korrekten Ästhetik“ gezwungen, die es unter Strafe stellt, verweichlichte Männer zu zeigen.
Die mächtigste Frau der Welt ist laut derselben Liste MacKenzie Scott. Sie hat noch niemanden eingesperrt oder umgebracht, aber neulich zweieinhalb Milliarden Dollar an gemeinnützige Organisationen gespendet. Sie ist der Meinung, dass persönlicher Reichtum immer das Ergebnis kollektiver Anstrengung ist.
Ist es denn so einfach? Männer sind fies, Frauen lieb?
Solange Mütter ihren Söhnen nahelegen, prophylaktisch andere plattzumachen, bevor sie selbst plattgemacht werden, wird es Psychopathen geben. Solange Väter ihren Söhnen den Puff als gute Idee der männlichen Selbstverwirklichung verkaufen, wird es frauenverachtende Schwächlinge geben, für die Liebe eine Frage der Investition ist. Solange die ganze Familie Söhnen beibringt, dass sie die Chefs sind, auf die ihre Schwestern zu hören haben, wird das nichts mit der Gleichberechtigung.
Als Mann muss man sich Respekt verschaffen. Zum Beispiel durch ein entschlossenes modisches Statement.
Foto: Martin Peterdamm
Breitbeinig dasitzen und Fakten behaupten
Als ich ca. volljährig war, war Männlichkeit für mich ein Albtraum. Nach der Pubertät war der Katalog männlicher Verhaltens-Gos und -Nogos nämlich so einfältig wie klar: Armdrücken, Rumgrölen, Saufen und Ärger machen, anderen Jungs die Freundin ausspannen und damit angeben galt als männlich. Auch auf der Straße entgegenkommende Leute durch Gefährlichgucken zum Ausweichen bewegen: männlich. Anderen ins Wort fallen, lauter sprechen als diese: männlich. Breitbeinig dasitzen und in kurzen Befehlssätzen Fakten behaupten: männlich. Kurzen Prozess machen, „Ficken“ sagen und „fertigmachen“ meinen: männlich. Aber auch: die Freundin hintergehen, sie belügen, fremdgehen, erwischt werden, abstreiten, sich gekonnt rausreden und durch blumiges Gerede alles wiedergutmachen, sich anschließend von den anderen Bekloppten feiern lassen: sehr männlich. Irgendwann dämmerte mir, dass ich so nicht sein muss, nur wegen meines Penis, der natürlich der größte von allen zu sein hatte. Ich konnte Melodien erfinden und mich für Atmosphäre begeistern. Hatte Lust, in der Liebe zu verschmelzen und gemeinsam in Geilheit zu zergehen. Weil das Zusammenkommen von männlich und weiblich genial ist, weil es glücklich macht und die Kraftquelle von unendlicher Energie ist. Ganz egal, ob männlich und weiblich in Form von Mann und Frau oder sonstwie zusammenkommen. Nur wenn Lust Angst macht, wird aus Macht Gewalt.
Der Songtexter Wolfgang Hofer schrieb 2014 für Udo Jürgens diese Zeilen:
Wer traut sich nicht zum Zahnarzt,
aber Kriege fängt er an?
Wer hält sein Auto sauber
und verdreckt den Ozean?
Wer pocht auf seine Ehre
und linkt zugleich den Staat,
wer geht in Freudenhäuser
und erfand das Zölibat?
Wer verhandelt über Frieden
und schafft neue Waffen an?
Es ist der Mann.
Leider ist es wahr. Weil diese Kolumne aber unter der Prämisse „Fröhliche Betrachtungen einer untergehenden Welt” veröffentlicht wird, kann hier kein Schlussakkord in Moll erklingen. Angst ist schlecht. Gewalt ist schlecht. Lust ist gut, Macht auch. Einen winzigen Teil der großen Politik habe ich selbst in der Hand. In dem ich meiner Lust zu leben folge und das beste daraus mache. Ohne meine Angst zu einem Dämon werden zu lassen. Das schreibt sich leicht. Die mutigen Menschen im Iran, die gegen ein psychopathisches Terrorregime aufbegehren, tun das gerade. Es sind vor allem Frauen.
Liebe Leserin, lieber Leser. Als Bühnenkünstler bin ich Applaus gewohnt. Auch, wenn es dir profan vorkommt: ein “Like” fühlt sich gut an. Auch freue ich mich über einen Kommentar. Das Abo bringt dir Sonntagskind jede Woche per Mail. (Es kostet nichts). Einen schönen Sonntag und danke fürs Lesen!
Paradoxerweise erziehen weltweit meistens noch die Frauen die Kinder… also legen auch sie die Wurzeln für die Männlichkeit — zumindest sind sie irgendwie beteiligt. Es bleibt kompliziert :))
Sehr cooler Anzug! 💥👌😉