Liebe Sonntagskindfreundinnen, -freunde! Noch eine ganze Woche bis Heiligabend. Ich wünsche euch einen luxuriösen dritten Advent und dass ihr und die euch lieb sind, in Mitgefühl baden dürfen.
Wer zwei Frauen liebt, soll sich nicht beklagen, wenn es stressig wird. Meine Probleme, sagte mir mal ein Freund, seien Luxusprobleme: Luxus? In diesem Augenblick sitze ich auf dem riesigen Bett eines geräumigen Hotelzimmers an der Ostsee. Um mich herum Stille, draußen tappert ein Pferd auf der Koppel, zum Abendessen gibt es heute ein Selleriesüppchen mit Croutons vom frisch gebackenen Landbrot, anschließend Spinatknödel in einem Schäumchen vom Jus der Walnussspalte, und ich bin allein – das ist Luxus!
In der Weihnachtsbäckerei meines Liebeslebens ist wie alle Jahre wieder die Hölle los: werde ich mit Annabella1 vor dem Tannenbaum sitzen und wir schauen uns an, mit von Hochgefühl und Sehnsucht aufgeladenen Familienblicken? Oder verbringe ich die stille, heilige Nacht dieses Jahr mit Madame C.2 und in den Herzen wird’s warm?
O ich Fröhlicher. Mit beiden gleichzeitig zu feiern, ist unmöglich. Ich bin doch kein Gockel, der sich von seinen Geliebten anhimmeln lässt. Wobei die Frage ist, ob den Geliebten nach Anhimmeln zumute wäre, brächte ich die jeweils andere zum gemeinsamen Weihnachtsfest mit. Still schweigt Kummer und Harm.
Dass dieses empfindlich ausbalancierte Liebesgeflecht selbst zu Weihnachten gutgeht, ist vor allem Madame C. und Annabella zu verdanken: noch nie hat eine der beiden mir gegenüber ein böses Wort über die andere verloren. S’ist als ob Engelein singen, wieder von Friede und Freud’. Dabei wäre es oft sehr einfach und naheliegend, die Schuld an den Schwierigkeiten des Zusammenlebens mit mir bei der anderen zu finden. Die beiden aber haben einander noch nie in Frage gestellt und dadurch auch immer mich gestärkt. Sie haben sich sogar schon getroffen, um einander kennenzulernen. Mir war dabei ziemlich mulmig zumute. Zur Entwarnung schickten sie mir ein Photo, das sie gutgelaunt Prosecco trinkend und rauchend zeigt. Da haben die Dornen Rosen getragen.
Ich finde, die Lenker dieser Welt können von Annabella und Madame C. lernen. Wie man den Mut findet, einander anzusehen und sich zu arrangieren. Betrachten statt schlachten. Wie man eine unbequeme Realität mit Lebenskunst verwandelt. Wie man verbindet anstatt zu trennen. Wie man mit Mut zu ungewohnten Gedanken neue Räume schafft. Mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis.
Ich lese einen Facebookpost der Journalistin Dunja Hayali. Sie plädiert für bedingungsloses Mitgefühl. Sie erzählt von einem Cartoon: Zwei Erwachsene schauen auf ein totes Kind. Einer fragt den anderen: „Was empfindest du?”. Der andere: „Kommt drauf an, welche Ethnie.” Mitgefühl, du wohnst in den Wolken, dein Weg ist so weit.
Meine Großmutter hat den Krieg erlebt. Sie war in ihren letzten Lebensjahren auf Pflege angewiesen. Sie konnte entweder in ein Heim gehen oder sich zuhause pflegen lassen. Die Pflegekraft zuhause wäre eine Polin gewesen. Meine Oma war eine kluge und liebende Frau. Trotzdem wollte sie sich partout nicht der Pflegerin aus Polen anvertrauen. Ich denke, sie wollte nicht an die große Katastrophe ihres Lebens erinnert werden, als sie mit Anfang 20, drei Kinder an der Hand, unter Todesangst von ihrem Hof in Breslau gejagt wurde, um polnischen Siedlern Platz zu machen. Sie verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens lieber im Heim.
Ich weiß immer noch nicht, wo ich Heiligabend sein werde. Auf jeden Fall an einem Ort, an dem ich geliebt werde. Es gibt diese Orte, es gibt diese Liebe. Mein Freund hatte recht: ich habe Luxusprobleme.
Hier der Facebookpost von Dunja Hayali:
Name v. d. Red. geändert.
Name d. d. Red. geändert.
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…das sind ja Weihnachtsausblicke…😂🙈 vielleicht fliegst du einfach mit dir selbst auf eine einsame Insel, ich kann da La Maddalena sehr empfehlen — traumhaft!!
Wie fändest du es eigentlich, wenn deine zwei Frauen jeweils auch noch jemand anderen hätten? Wäre ja eigentlich praktisch, und dann könntet ihr vielleicht nächstes Jahr zu fünft feiern 😜🙃😉🔔🌲🎅🏻
Lieber Mark,du hast es wieder mal geschafft,mich früh am Morgen zu entzücken. Und ja,von diesen beiden klugen Frauen können( sollten,müssten!)wir viel lernen. Ich versuch's mal. Dankeschön für das Lesevergnügen und viel Spaß noch an der Ostsee. Am Meer kann man ausgezeichnet alleine sein. Bin gespannt,wo,wie und mit wem du Weihnachten verbringen wirst. LG aus Bremen