Ich bin leicht übers Ohr zu hauen. Das weiß der Hütchenspieler, der mich am Alexanderplatz um einen grünen Schein erleichtert hat. Das sympathische Duo, das mir mal aus dem Lieferwagen zwei Paar wertloser Luxuslautsprecherboxen zum Schnäppchenpreis von 2000 Euro „verkauft“ hat. Ich hab den beiden Halunken noch eine Schallplatte von mir geschenkt, weil ich sie so nett fand. Anschließend haben diese seelenlosen Räuber in ihrem Betrügermobil wahrscheinlich über mich gefeixt. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass da nun vier Türme wertlosen Elektroschrotts in meiner Wohnung herumprotzten, ließ ich diese als Mahnmale noch einige Jahre stehen. Stumm erinnerten sie mich an meine Naivität. Wenn ich dann mal wieder pleite war, schrien die Monolithen: „Du weißt, warum!“
Als ich anfing, als Komponist an Theatern zu arbeiten, bekam ich schnell Mitleid, wenn mir ein Verwaltungsdirektor bei der Vertragsverhandlung erklärte, dass er eigentlich gar kein Budget für mich habe. Dass man mit beiden zugedrückten Augen aus anderen Töpfen mit Ach und Krach etwas für mich freimachen kann, aus Sympathie für mich und aus Respekt vor meiner eigentlich unbezahlbaren Arbeit. Oft begleitet von der verschwörerischen Bitte um Verschwiegenheit, weil das gar nicht erlaubt wäre, was der Direktor da gerade für mich macht.
Ich hatte manchmal den Reflex, auf mein Honorar zu verzichten, um das Theater nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Oder einen Kredit aufzunehmen und dem Betrieb etwas zu leihen. Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich gemerkt habe, dass Klagen und Jammern Teil einer Verhandlungsstrategie sind. Und dass der Wahrheitsgehalt der immer wieder gesungenen Ballade von den leeren Töpfen etwa dem von „Russia Today“ entspricht.
Gesungene Nachrichten will man nur hören, wenn man ohnehin schon alles weiß und keine Fragen mehr hat. Wird gesungen, kann man sicher sein, dass Madame Realität gerade Sendepause hat. Ich bin leider zu gutgläubig, um zu merken, ob gerade jemand singt oder den harten Text der Wahrheit spricht.
Zur Zeit höre ich viele Schimpfarien, Motzkantaten und Nörgelschlager. Auch Belehrungs-Oden und Schmählieder, gekeift und gefaucht. Pöbelsongs und Jammerchansons laufen gratis in allgemeiner Rotation. Elendsklagen von kenntnisfernen Verschwörungsbarden. Selbst auf den überzahlten Fake-Luxuslautsprechern klingen die übellaunigen Nevergreens so furchterregend, als würde Dieter Bohlen in Bayreuth den Ring des Nibelungen dirigieren.
Diese Stimmen wären einen Lockdown wert. Vielleicht schulen die tollwütigen Troubadoure danach ja auf freundlichere Berufe um, zum Beispiel Hütchenspieler.