Wer hier zum ersten Mal vorbeischaut: Ich bin Mark Scheibe, ein freundlicher Snob, der mit seinem Steinway-Flügel auf einem Hausboot lebt. Ich gelte als weltweit ignorierter Künstler. Ein Geheimtipp bin ich als Opernkomponist und Jazzsänger. Auch als Schlagertexter, Astrologe und Marathonläufer halte ich mich aus Anstandsgründen dem Glitzerlicht der öffentlichen Bewunderung fern. Mit meiner wöchentlichen Kolumne „Sonntagskind” versuche ich mich vor dem natürlichen Andrang auf mein stetig wachsendes literarisches Oeuvre zu verstecken.
Nun viel Freude mit der 214. Sonntagskind-Kolumne!
Oft brauche ich ein bisschen länger, bis die Dinge bei mir ankommen: Im Louvre wurde eingebrochen, „Stadtbild“ ist jetzt das meistgenutze Wort – und es ist wirklich Herbst.
Ich reise mal wieder ohne Mantel, die Lackschuhe glänzen, aber sie wärmen nicht. Es soll Leute geben, die prinzipiell erst im November heizen – ich nicht. Schon bei wenigen Wolken am Himmel stelle ich im Mietwagen die Sitzheizung auf Drei. Annabella sagt dazu: das Muschistövchen anknipsen.
Ich mag diese genderkulturelle Aneignung: Muschistövchen ist ein lustiges Wort, „Gliedgrill“ wäre nicht halb so schön. Auch sollte man nicht „Hodenherd“ zu der sanften Sitzglut sagen.
Was dem fröstelnden Snob die Hitze von unten, war der französischen Königin Eugénie die Pracht von oben: Deren brillibeschlagene Krone haben die flüchtenden Louvre-Langfinger fallen lassen. Vielleicht zu heiß?
Ob sich Gangsterkönige, deren Schergen die Merz’schen Stadtbilder verfinstern, nach europäischem Traditionsschmuck sehnen? Machen kriminelle Clans eine ästhetische Verwandlung durch? Vielleicht steckt von ihnen jemand hinter dem Raub, weil sie bei den Europäern endlich dazugehören wollen. Wenn arabische Mafiosi ihre protzigen Goldketten in klassische Kronjuwelen eintauschen und die 7er BMWs gegen historische Kutschen, dann ist das erstmal ein zu begrüßender Ansatz, unter Integrationsgesichtspunkten. Aber, liebe Verbrecher: Stil kann man nicht klauen!
Man stelle sich vor: Gestohlene Herrscherportraits in Öl von Rubens und Velazquez, in die der gemeine Kriminellenführer sein eigenes Antlitz hineinbilden lässt. Liebe Abous, Babos und andere Unterwelt-Emire, so wird das nichts mit Teilhabe an der Gesellschaft. In kulturellen Dingen sind wir empfindlich. Sind denn die Zeiten vorbei, in denen man von Gangstern Anstand erwarten kann?
Wahrscheinlich würde selbst Robin Hood heute seine Beute in Bitcoin parken anstatt sie den Armen zu spendieren – schließlich bekommen Bedürftige schon Bürgergeld. Wozu bedarf es da noch edler Enteignungen?
Die Rubinräuber stehen jedenfalls nicht im Verdacht, den Trennschleifer aus Nächstenliebe an die Museumsvitrine gesetzt zu haben. Nach der Attacke auf die Kunst steht das Stadtbild von Paris unter Schock – und unser Bundeskanzler kann nichts dafür.
Dass die Diebe allerdings die Mona Lisa links liegen ließen und lieber nach den Klunkern griffen, lässt ein Motto erahnen: Statt Bild: Schmuck.
Ein schmuckes Stadtbild würde nicht nur Friedrich Merz erfreuen – vielleicht geben die Gangster die Juwelen wieder her, wenn man ihnen ein bisschen die Sitzheizung aufdreht.
Neu erfundene Wörter im 214. Sonntagskind:
Genderkulturell, Gliedgrill, Hodenherd, Sitzglut, brillibeschlagen, Louvre-Langfinger, Unterwelt-Emir, Rubinräuber
AUS DER KAJÜTE DER ERKENNTNIS:
I. Begehren verhält sich zu Besitz wie Stil zu Lautstärke.
II. Wenn sogar Gangster auf Kultur machen, ist Europa angekommen.
III. Der Mensch ist das einzige Wesen, das sich im Warmen über die Kälte beschwert.
Liebe Leserin, lieber Leser – danke, dass ich mit meiner Kolumne bei dir sein darf. Als Sonntagskind bin ich gerne großzügig, darum ist meine wöchentliche Mail so gratis wie ein Lächeln – obwohl sie mich viel Zeit kostet, denn ich feile so lange an meinen Texten, bis ich denke: Besser geht’s nicht.
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Wie nennst Du die Sitzheizung?
Eine Frage …
Ich frage, weil mir die Substack-App selbst so gut gefällt. Ihre Erscheinung ähnelt Social-Media-Applikationen, aber sie ist anders:
Frei von Werbung
Ohne Algorithmus, der Zwietracht sät
Ab heute will ich Euch in jedem Sonntagskind eine Publikation auf Substack empfehlen, die ich gerne lese:
Lisa Ludwig war Anfang der 2000er eine der ersten Frauen im Musikjournalismus, die sich mit deutschsprachigem Hiphop beschäftigt haben. Ihren eindrucksvollen Bericht über ihre Begegnung mit dem Rapper „Haftbefehl” findet sich hier:
Bis nächsten Sonntag, danke für Eure Likes, Abos, Shares und Kommentare,
Euer






"Muschistövchen"...😆😆🤣(➡️Stil kann man nicht klauen!)
👌🏻❗️
Hämorrhoiden - Vermehrer