Wimmernde Violinen, prahlende Posaunen, triumphierende Trompeten und pathetische Pauken klingen durch den Saal. Klarinettenkaskaden und Flötenfanfaren umschwirren heroisch herumhimmelnde Hörner und festlich flackernde Fagotte. Ein Vibraphon vibriert und eine Mezzosopranistin murmelt magische Melodien. Eine Symphonie des Untergangs.
Das Babylon-Kino in Berlin zeigt den Fritz Lang-Stummfilm „Dr. Mabuse“ von 1922. In dem ersten aller Kinokrimis geht es um einen genialen Wahnsinnigen, der mit dem Tod per du ist. Der Film ist 4 ½ Stunden lang, das Babylon Orchester spielt Musik dazu. Ich habe sie komponiert. 850 Partiturseiten, wenn ich mal angeben darf.
Angesichts meiner Komponistenaufregung wegen des Premierenfestes kann ich meinen Blick heute nicht mit gewohnter Hingabe auf die untergehende Welt richten, wie es SONNTAGSKIND verspricht. Schließlich ist mein mentales Potenzial ganz mit der Frage ausgelastet, welchen meiner cremefarbenen Cashmereschals ich zur Uraufführung trage.
Für einen symphonischen Komponisten selbstverständlich: in historischem Interieur über den Lauf der Welt sinnieren. Foto: Martin Peterdamm
Die Welt ging schon immer unter, diesesmal bekommen wir es aber vielleicht wirklich gemeinsam hin. Die bibelschlauen Zeugen Jehovas haben das Datum der Apokalypse einige Male präzise ausgerechnet, dann kam aber immer etwas dazwischen. Der letzte Armagedontermin war 2018.
5 Turbotipps für das todsichere Verderben
Wer hat Lust zu zündeln? Ein paar Vorschläge zur Beschleunigung der Apokalypse möchte ich trotz des Premierenfiebers loswerden, hier sind 5 Turbotipps für das todsichere Verderben.
1.: Heizung auf 5 und Fenster auf. Wenn das alle machen, ist es draußen nicht so kalt. Dann sind die verbleibenden Jahre wenigstens kuschelig. Es gibt schon bald nicht nur Beelitzer Spargel, sondern auch Magdeburger Mangos und Ananas aus aus der Region. Nicht auszuschließen, dass man zwischen den Baumkronen im Grunewald gelegentlich einen Giraffenhals sichtet. Hat auch sein Gutes: bei uns gibt es immerhin keine Wilderer.
Ende der langweiligen Demokratie: Linksrechtsradikalismus
2.: Bei der nächsten Bundestagswahl beide Stimmen gleichmäßig auf die AfD und Sahra Wagenknechts neue Partei verteilen. Mal schauen, ob es der neuen großen Zwangskoalition gelingt, einen totalitären Linksrechtsradikalismus zu etablieren, der die vermeintlichen Diktaturexperten in Iran, Qatar und Kreml blass aussehen lässt. Das schafft Anreize für den Rest der Welt!
3.: Jeder kann sich für die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einsetzen und mit Demonstrationen gegen die Meinungsfreiheit die allgemeine Verunsicherung schüren. Kommerzielle Hassredner übernehmen dann die Radio- und TV-Kanäle, arbeitslose Orchestermusikerinnen arbeiten als Taschendiebe, ganze Redaktionen werden von KenFM übernommen. Statt Tagesschau strahlt der neue Volksfunk Werbespots für Handfeuerwaffen aus dem Internet aus.
4.: Die Mülltrennungsindustrie an der verlogenen Nase herumführen: Batterien und Reste von Ölfarben, Lacken, Terpentin, etc. immer in die Biotonne. Gern hin und wieder einen Liter Altöl dazugeben. Pfandflaschen kommen in den Gelben Sack, der wandert komplett in den Hausmüll. Für allen anderen Unrat gilt: wer kein Gewässer in der Nachbarschaft hat, wirft den Müll einfach auf die Straße.
Drohen statt grüßen
5.: Jeder kann Feindseligkeit in sich kultivieren. Für Begegnungen mit Verkäuferinnen, Taxifahrern, Nachbarn, Tanten und Kollegen gilt: drohen statt grüßen. Öfter mal beleidigen, unterstellen, diskriminieren und dämonisieren. Kreativ werden im Begründen! Einer buddhistischen Nagelstudiomitarbeiterin einfach mal zuzischen: „Du planst doch grad den Dschihad!“ oder dem Rentner mit dem Dackel sagen, dass für feindliche Agenten wie ihn bald hier kein Platz mehr ist. Je mehr das machen, desto normaler wird es. Ein Klima der Angst ist die Folge. Es erscheint schlüssig, dass dann die Widersacher aus dem Weg geräumt werden müssen, bevor man selbst zum Opfer wird. Ein weltumfassender finaler Bürger*innenkrieg ergibt sich von selbst. Ich bin sicher, Dr. Mabuse himself wäre hingerissen!
Liebe Leserin, lieber Leser. Als Bühnenkünstler bin ich Applaus gewohnt. Auch, wenn es dir profan vorkommt: ein “Like” fühlt sich gut an. Auch freue ich mich über einen Kommentar. Das Abo bringt dir Sonntagskind jede Woche per Mail. (Es kostet nichts). Einen schönen Sonntag und danke fürs Lesen!
Facebookvideo von der Generalprobe
Radioeins-Interview mit Silke Super zur Musik von "Dr. Mabuse"