Liebe Sonntagskindler,
eine Neurologin hat mir in einem Experiment etwas beigebracht, ich gebe das hier weiter und empfehle den Selbsttest, dafür brauchst du eine Eieruhr. Nimm eine Pose ein, mit der du Freude, Lust, Neugier, Glück oder eine andere positive Emotion verkörperst. Für mich ist das: mit ausgebreiteten Armen in den Himmel schauen. Andere fühlen sich am besten, wenn sie auf dem Sofa herumräkeln oder sich selbst umarmen.
Finde also deine Position. Stell die Eieruhr auf 2½ Minuten. Nun lächle und bleibe so. Die Neurologin sagt: nach 2 Minuten überzeugt der für die Bewertung von Bewegung und Mimik zuständige prämotorische Cortex im Gehirn das entsprechende Bewusstsein: keine Gefahr, alles in Ordnung. Prompt kommt mit der guten Laune Kraft und Zuversicht ins System! Fake your mind and be happy! Diese psychologische Kleinigkeit halte ich für eine Revolution – Lächeln ist das Antidepressivum des kleinen Mannes – nimm dies, Psychopharmakakonzern.
Ich denke, solche Techniken werden jetzt immer wichtiger. Die Wahrscheinlichkeit, online verloren zu gehen, wird schließlich immer größer. Aber nicht hier, nicht beim Sonntagskind, hier bist du sicher. Viel Freude und gute Gefühle mit der 140. Ausgabe, heute mit dem Thema: Zukunft.
Das Wiener Modell
Die Verkäuferin begrüßt mich mit einem Jahrhundertlächeln und fragt, wie sie mir helfen kann. Ich mag sowas. Ich nenne diese altmodische Art der Dienstleistung das Wiener Modell. Freundlich angesprochen zu werden, lässt meine Spiegelneuronen Walzer tanzen. Wenn ich wieder draußen bin, lästert die Verkäuferin vielleicht über mich ab, aber das ist mir egal. „Geh, jetzt schau dir dieses blasierte Arschloch an, mit seinem schnöseligen Anzug und den verschwulten Lackschuhen, dieser eingebildete Pseudodandy“ zischt sie ihrer Kollegin zu, nachdem sie mich verabschiedet hat, als wären wir mindestens Cousin und Cousine. Fast hätte ich sie umarmt, so herzlich war sie zu mir. Ich verstehe, dass professionelles Freundlichsein Kraft kostet. Weil sonst die Seele überzuckert, muss sich die vor Güte glänzende Verkäuferin zwischendurch in einem Kübel mit verbalem Dreck suhlen. Da ist der Mensch dem Schwein verwandt.
Das Berliner Modell
Beim hier beschriebenen Dienstleistungsstil bleibt der Saustall im Verborgenen. Anders beim Berliner Modell: du gehst in einen Laden oder eine Bar, da lümmelt ein semigepflegter Mützchenträger hinterm Tresen und kaut Kaugummi, während er dich ignoriert. Auf Nachfrage grunzt er etwas auf Englisch. Diese kommerzielle Begegnung ist gegenüber dem Wiener Modell authentisch. „Echt“ steht bei den Mindestlohnsurfern des Berliner Modells hoch im Kurs: der Arbeitsplatz ist zugleich der Futtertrog der sich selbst verwirklichenden Kommunikationsferkel.
Da bevorzuge ich den Schein: das Schwein im Chanelkostüm.
Empathie-Erschleichung
In Rhetorikseminaren können wir lernen, Empathie vorzutäuschen, mit Körpersprache und Gesprächstechnik das Gefühl von Nähe herzustellen. Unter Freunden wäre so eine Täuschung eine Sauerei, im kommerziellen Miteinander aber ist sie die Profigleitcreme für einen friedlichen und wohltuenden Handel.
Der mit dem gegenwärtigen Personalmangel einhergehende Verlust des Berufsethos in der Gastronomie ist schon ein kleiner Hinweis auf die Zukunft: wir werden uns bald danach sehnen, von einer überforderten wie überheblichen Servicekraft gedemütigt zu werden. Ignoranten Kellnerinnen werfen wir uns vor die Füße und betteln, uns schlecht fühlen zu dürfen, weil wir es wagen, sie mit Bestellungen zu nerven.
Wir werden in Tränen der Gerührtheit ausbrechen, wenn ein geringfügig beschäftigter KuWi-Student mit den Augen rollt, weil er an unseren Tisch kommen muss. Auf der Suche nach echtem Gefühl ergreifen wir jedes Ringelschwänzchen. Die Zukunft ist nämlich das mit personalisierter Mimik ausgestattete Latexgesicht des Service-Roboters: es erkennt dich, sagt deinen Namen und weiß, dass du einen Hafermilchcapuccino mit doppeltem Espresso willst. Wenn du es wünschst, redet es sogar in Versen oder spricht, weil du darauf stehst, mit der Stimme von Miss Piggy.
Killt der Klempner die KI?
Im letzten Sonntagskind war ich von der Musik-KI „Udio“ erschüttert und blieb ein paar Tage in Schockstarre angesichts der Qualität der in Sekundenschnelle hergestellten Orchesterarrangements und funky Songs. Komponistinnen von Werbejingles und Hintergrundmusiken von Vorabendserien können schon mal ihr Studio-Equipment verkaufen und sich einen neuen Job suchen. Als nächstes sind die Schlagerproduzenten dran, dann die Filmleute. Ich glaube, wer jetzt einen Handwerksberuf erlernt, kann Millionär werden. Während noch überall Dächer gedeckt und Rohre verlegt werden, entwickeln die Supernerds von Open AI „Sora“: eine KI, die nach Texteingabe Filme herstellt. Noch hakelt es ein bisschen, aber Sora lernt schneller als der Eber quieken kann. Um sich auszumalen, was das für Hollywood bedeutet, muss man nicht Schweinchen Schlau sein.
Es führt leider auch dazu, dass Fakenews von echten Nachrichten nicht mehr zu unterscheiden sind. Ich bin so froh, dass es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt: wir brauchen eine verlässliche Quelle, deren Bildern, O-Tönen und Texten wir trauen können. In den Redaktionen arbeiten Leute, die uns keinen Scheiß erzählen. Ich freue mich darüber genauso wie über die Verkäuferin aus dem Wiener Modell – und habe noch nie so gerne den Rundfunkbeitrag bezahlt wie jetzt.
Liste neu erfundener Wörter in der 140. Sonntagskindkolumne: Veränderungsschwemme, Jahrhundertlächeln, Pseudodandy, semigepflegt, Mindestlohnsurfer, Kommunikationsferkel, Profigleitcreme.
Damen und Herren, ich hoffe, Ihr habt eine gute Zeit beim Lesen dieser Sonntagskind-Ausgabe. Stöbert gern hier herum, es gibt einiges zu entdecken, zum Beispiel die Kolumne über den Unterschied von Männern und Frauen (siehe unten). Wer noch nicht abonniert hat, greife zu, das macht alles einfacher, dann kommt jede Woche das Sonntagskind pünktlich vor dem Frühstück.
Ich freue mich über jede Form von Unterstützung: Verbreitung, Empfehlung, Erwähnung – und ich danke Euch allen, die Ihr das tut, auf Facebook, per Mail oder beim Frühstück. Auch Euch, die Ihr mich mit Spenden erfreut, danke ich von Herzen – es gibt hier ja keine Redaktion, die mich bezahlt oder mir Kaffee kocht. Es gibt nur Euch, die Texte und mich. Was habe ich für ein Glück! Ich wünsche einen schönen Sonntag und freue mich, von Euch zu hören.
I'm an old fart and all this on a Sunday morning is definitively too omuch Take it easy ( Occitany Modell) But I like Mark's stuff !
Sehr gerne lese ich immer wieder früh morgens am Sonntag deine gedanklichen Freigänger durch die universell im Universum gesäten Räume sind da ich auch auf die künstliche Intelligenz setze ist dieser Beitrag natürlich auch über eine spracherkennung aufgezeichnet und in Text umgewandelt worden Punkt., Strich fertig ist das mondgesicht hat er auch erkannt er sie was auch immer. Im Restaurant könnte ich mir vorstellen dass bald nur noch externe Lieferanten eingestellt werden die das Essen vorbeibringen denn spart sich auch der Abwasch und in einigen Ländern ist ja bei mir auch üblich dass man seine eigenen Getränke mitbringt Australien z.b. ja so ist es halt mit der Welt die sich immer weiter verändert bald sind wir nur noch ferngesteuerte Roboter zersetzt durch Metalle und röntgenstrahlung und 5g und Glasfaser und Medikament also beruhigungspillen und Hanf der Rest bleibt sowieso im Streik der Deutschen Bahn hängen und Dubai kauft uns sowieso zusammen aber mit China da hilft uns auch kein flüssiger Sache flüssiger Sauerstoff ich meinte eigentlich Helium nein das andere na hier Wasserstoff daraus bestehen wir doch alle und ein bisschen Wasser und achso nächstes lustige früh morgens Früchte für weitere Träume. Und ich leite das auch immer alles gerne weiter aber die Leute haben heutzutage irgendwie keine Zeit mehr außer für Netflix und Yoga