„Papa, das ist nicht lustig.“
Eine Familienkonferenz über Humor, Haltung und Ravioli aus der Hölle.
Verehrte Lesende, liebe Freundinnen der Lebenskunst, Verehrer des freien Geistes, Sinnsuchende in einer irren Welt;
viel Freude mit der 217. Sonntagskindkolumne, der freien Presse beim Sonntagsfrühstück, dem zuverlässigen Liebesbrief an alle Lebenskünstler, der wöchentlichen literarischen Umarmung mit Gute-Laune-Garantie und Tiefgangbonus!
Die Sitzung des Familienethikrats
Neulich sitze ich mit meiner Tochter beim vietnamesischen Mittagstisch im Prenzlauer Berg. „Papa, können wir über Deine letzte Kolumne1 reden?“
Sie fragt das in jenem Ton, in dem die Gen Z uns Boomer und Spät-Gen-X-ler über unsere Privilegien aufklärt – wenn wir glauben, gerade einen trefflichen Scherz gemacht zu haben. Der Ton wirkt sofort: Ich beiße mir auf die Zunge. Wollte ihr eigentlich die Speisekarte mit einem pseudovietnamesischen Nagelstudio-Akzent vorlesen.
Das Wunder von der Salmonellen-Schänke
Der Anlass ihres Gesprächswunsches: meine Kolumne über die Ehrenmänner in einer als Restaurant getarnten Ravioli-Ranzbude in Niederschöneweide. Die Sangria-Sommeliers rissen sich meine Tasche samt MacBook und Geld eben nicht unter den Nagel, obwohl ich ihnen diese Kriminalität locker zugetraut hatte, in ihrer Salmonellen-Schänke. Stattdessen erwiesen sich die vermeintlichen Gangster aus der Tiefkühl-Taverne als Herren von edlem Temperament: sie gaben acht auf mein Hab und Gut.
Der Blick von oben – und seine Fallhöhe
In dieser Geschichte erweise ich mich als Trottel, der seine eigenen Abgründe auf unschuldige Ausländer projiziert – und damit sein Menschsein idiotischen Vorurteilen opfert. (Auch wenn die Wischmopp-Brasserie wirklich eine Gastro-Apokalypse war).
Für mich ist das ein satirisches Selbstporträt. Ich finde es angemessen, mich, den verwöhnten Künstlerdandy, zum Objekt des Hohns zu machen. Und nicht die Leute, die für wenig Geld in einer Prekariatspizzeria schuften. Dass sie den Niedriglohnatem der Fritteuse nicht aus ihren Klamotten gewaschen kriegen, ist eine echte Katastrophe, an der nichts lächerlich ist.
Wo die Pointe zur Verdachtslage wird
Man kann meine Kolumne aber auch als Tatort-Bericht aus der rechtsextremen Unterwelt lesen, weiß meine Tochter. Klar, wenn man die inneren Gedanken des Ich-Erzählers so wörtlich nimmt wie eine Zeugenaussage. Ich habe mein lyrisches Unter-Ich in der Kolumne schließlich geifern lassen, und diese Worte sind absichtlich böse.
Frühstück mit Feindbild
Beim Schreiben kam mir die etwa hundertjährige Dame in einem Hotelrestaurant in Oberösterreich in den Sinn: Sie zischte mich vor ein paar Jahren vom Tisch gegenüber beim Frühstück feindselig an: „Sie! Sie san doch an Franzos, was wollen’s hier!“ Ich fand das lustig und sagte „Gnädige Frau, ich komme aus Berlin und spiele ein Konzert hier am schönen Traunsee!“ – „Ah! Gewiss machen Sie diese schreckliche Bummbumm-Musik!“, war sie sicher. Ich hatte bei ihr keine Chance, für sie war ich der Franzos, der ihr das Abendland verschandelt. Diese bemerkenswerte Starrsinnigkeit, diese vorsätzliche Unterstellungsleidenschaft: reine Inspiration.
Generationenblick mit Fingerspitzengefühl
Etwas an der Kritik meiner Tochter verstehe ich. Ich höre ihr zu. Ich bewundere die Klarheit, mit der sie und ihre Generation Unrecht erkennt, daran ist nichts zum Schenkelklopfen.
Ironie ist mein Werkzeug, mit der ich die Ungerechtigkeit der Welt in eine Pointe verwandele, um sie aushalten zu können. Aber Ironie ist eine alte Sprache. Wie Latein, höfliche Konversation oder das Damen-in-den-Mantel helfen. Eine Sprache, die nur klingt, wenn man die Welt nicht mit einer Schere in Gut und Böse zerlegt, sondern mit den Fingerspitzen abtastet.
Die letzte Lektion
Ob Ironie vielleicht einfach zu leise ist für unsere Zeit? Sie hebt nur die Augenbraue, wo andere ins Megaphon brüllen. Sie zielt auf Resonanz, aber nicht auf Gesinnungsbeifall. Und sie resoniert erst, wenn man zwischen den Zeilen Raum lässt. Raum, in der die Realität atmen kann – weil sie widersprüchlicher ist, als es unserem ordnungsliebenden Verstand recht ist.
„Aber Papa, nicht jeder versteht Ironie“, sagt meine Tochter. Ich habe genau gesehen, wie sie dabei leicht die Augenbraue gehoben hat.
Wer hier zum ersten Mal vorbeischaut: Ich bin Mark Scheibe, ein freundlicher Snob, der mit seinem Steinway-Flügel auf einem Hausboot lebt – ignorierter Künstler von Weltrang. Ein Geheimtipp bin ich als Opernkomponist und Jazzsänger. Auch als Schlagertexter, Astrologe und Marathonläufer halte ich mich aus Anstandsgründen dem Glitzerlicht der öffentlichen Bewunderung fern. Mit meiner wöchentlichen Kolumne „Sonntagskind” versuche ich mich vor dem natürlichen Andrang auf mein stetig wachsendes literarisches Oeuvre zu verstecken.
Liste der neu erfundenen Wörter im 217. Sonntagskind:
Salmonellen-Schänke, Ravioli-Ranzbude, Sangria-Sommelier, Tiefkühl-Taverne, Wischmopp-Brasserie, Gastro-Apokalypse, Unter-Ich, Prekariatspizzeria, Niedriglohnatem, Unterstellungsleidenschaft, Gesinnungsbeifall.
Aus der Kajüte der Erkenntnis
I. Die Welt ist widersprüchlicher als jedes Weltbild.
II. Nichts ist gefährlicher als ein Gedanke, der sich für eine Beobachtung hält.
III. Vorurteile sind schnelle Köche: Sie bereiten aus einem flüchtigen Blick ganze Dramen zu — meistens ungenießbar.
Die Kolumne des Anstoßes:
Gute Menschen, schlechte Menschen
Verehrte Damen und Herren, zum 215. Mal versuche ich, einen Brief an Euch zu schreiben – mit Herz, aber nicht seifig. Mit Ironie, aber nie ohne Liebe. Leicht soll es zu lesen sein, und trotzdem unter die Haut gehen dürfen. Heute ist Lady Gaga mit an Bord, die große Königin des Pop. Wer sich in ihrem Werk nicht auskennt: Die






Ich liebe Ironie aber bestimmt nicht jeder. Die oberflächliche Flüssigkeit von billigem Humor nach Vater Mario B. Übertrifft leider noch immer die Schafe der Nation. Ich in meiner Überheblichkeit kann aber leider auch nicht darüber lachen wenn mein Erzeuger (NICHT M.B.!) alleine in der Innenstadt steht, für die AffenFonDue Partei und gegen einen Mob Linksradikaler im Eiswürfel Wetter so ein Frust auf das Leben und das Rentner sein und seinen verloren Sohn ankämpft. Dann lieber 'n Mann am Klavier und noch ein Bier, denn für eine Mark (!) und zehn, wird der Abend doch noch schön...