Liebe Sonntagskindfriends, herrliche, der anspruchsvollen Frühstücksliteratur geneigte Gemeinschaft!
Heute, am Ostersonntag 2024, würde ich Euch mit der 137. Kolumne gerne ein schmissiges und dem Anlass angemessenes Thema anbieten. Etwas mit Hasen, Himmelfahrt und Hedonismus. Was mit Frühling, Feeling, Freude. Aber ich kann nicht! Zur Zeit habe ich „frei“, weil ich ein großes Projekt abgesagt habe, dessen Bedingungen mir nicht gefielen. Jetzt geht es mir wie Herrn Lohse in Loriots „Pappa ante Portas“: ich habe tausend vorzügliche Ideen zur Optimierung der Lage und terrorisiere nun meine mich zuvor noch liebende Umwelt. Also Euch. Trotzdem: ich wünsche einen herrlichen Ostersonntag mit umgestellten Uhren und aufgestellten Ohren (beim Schokohasen). Jetzt viel Vergnügen mit „The brightest candle on the cake”:
Ich sag es gleich vorab: ich bin nicht die hellste Kerze auf der Torte, hier die Beweise:
Wenn mir jemand den Weg erklärt, bin ich meist so überwältigt von den vielen Eindrücken, dass ich nach der Ausführung orientierungsloser bin als vorher.
Zweimal im Jahr wird die Uhr umgestellt. Das bedeutet für mich Hochspannung im Hirn. Ist es dann später früher oder heißt, wenn die Uhr vorgestellt wird, dass jetzt schon nachher ist? Oder ist es umgekehrt?
Manchmal muss ich beim Autofahren etwas länger überlegen, wenn ein kompliziertes Schild am Straßenrand steht. Rotes Kreuz auf blauem Kreis mit Pfeilen nach links oder rechts darunter? Keine Ahnung, was jetzt genau damit gemeint ist. Erzählt es nicht euren Freunden bei der Führerscheinstelle.
Schaue ich im Fernsehen einen Spionagethriller, steige ich geistig schon nach wenigen Minuten aus, weil ich nicht begreife, wer gerade wen mit welcher Intrige aufs Glatteis führt.
Ich begnüge mich dann mit meiner Privatmethode zum Bewältigen komplexer mentaler Aufgaben: atmosphärisches Verstehen anstelle von analytischem Durchdringen der Handlung. Ich fühle das Drama! Richtig schlaue Leute lachen mich dafür aus, aber ich sage Euch: mein Gefühl ist sehr genau. Vielleicht habe ich aber auch nur ADHS, ich kann mich nämlich nicht konzentrieren.
Wenn das so weitergeht, bekomme ich gar nichts fertig, noch nicht einmal diese Kolumne. Ich finde einfach keinen Fokus. Ist das ADHS? Egal. Den Song „ADHS“ aus den gleichnamigen Tönen A, D, H und Es habe ich übrigens schon komponiert. Falls jetzt jemand anderes auf dieselbe Idee kommen sollte: ich bin schlau genug für einen zermürbenden Urheberrechtsprozess!
Der Schauspieler Fritz Wepper ist tot. Er hat mich mein Leben lang begleitet. In der genialen und unerreichten Schwarzweißkrimiserie „Der Kommissar“ spielte er schon 1969 den Kriminalassistenten Harry Klein. Nach der letzten Kommissarepisode lebte Harry Klein in gleicher Funktion im Farbfernsehen bei „Derrick“ weiter, bis zur letzten Folge im Jahr 1998. Immer spielte er die 2. Geige1. Eine Rolle, die die Nachrangigkeit schon im Namen trägt. Harry Klein durfte nie schlau sein, eine gute Idee haben oder einen nennenswerten Beitrag zur Lösung eines Falls liefern, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Mit Harry Klein hat Fritz Wepper dafür gesorgt, dass man oft denken konnte „Oah, Harry, du Pfeife!“, wenn der ewige Assistent mal wieder gezeigt hat, dass er noch blöder ist als man selbst.
Die Rolle der hellsten Kerze auf der Torte war nämlich Horst Tappert als Stephan Derrick auf den Leib geschrieben, der mit päpstlicher Überlegenheit die verwerflichsten Finsterlinge zur Strecke brachte.
Bei Derrick musste Harry dumm sein und auch immer ein bisschen verklemmt notgeil. Er war das nötige Gegengift, damit wir uns angesichts Derricks geistig-seelischer Überlegenheit und moralischer Absolutheit nicht wie triebgesteuerte Vollhonks fühlten. Die Methode ging auf: nach fast 100 Kommissarfolgen war Fritz Wepper 281 mal der leicht unterbelichtete Sidekick für den Übermenschen Derrick in der erfolgreichsten deutsche Krimiserie aller Zeiten.
Manche Leute meckern über die Dialoge bei Derrick. Sie seien ja so blöd. Ich sage denen was: im Film gilt, wie in der Oper: die Texte dürfen nicht schlau sein, sonst bleibt nichts für die Kunst zu tun. Wer schlaue Texte will, soll ein Buch lesen oder die ZEIT. Ich behaupte, dass das für alle Formen gilt, in denen Sprache nicht die einzige Rolle spielt: Film, Theater, Oper, Songs.
Ein Songtext darf nicht perfekt sein, sonst braucht er keine Musik mehr. Außer bei Bob Dylan, aber da ist die Musik Nebensache. Deswegen hat er sich ja auch über den Literaturnobelpreis so geärgert! An Bob Dylans Stelle würde ich mich freuen, wenn jemand mal etwas nettes über die Musik sagt und nicht nur „Oh, Bob, diese unglaublichen Texte, Wahnsinn …”. Ob H.P. Baxxter (Scooter) jemals den Literaturnobelpreis bekommt? „How much is the fish!“ ruft der studierte Rechtswissenschaftler im gleichnamigen Song einem Millionenpublikum zu. Mit dem Rummelplatz-Techno von Scooter gewinnt H.P. Baxxter allerdings keine Goldmedaille im Beethoven-Kompositionswettbewerb. (Ich will die für „ADHS”).
Kürzlich wies mich Leser Dietmar K. daraufhin, dass die Kirchen gar nicht so lame seien, wie ich neulich in der „Zuckerbergpredigt“ behauptet habe. Kann sein, dass Dietmar recht hat! Die krassen Kirchenclowns und beichtbereiten Bibelbitches feiern den Ostersonntagsgottesdienst in the middle of the night: Um genau 5 Uhr 30, so das Ergebnis astronomischer Berechnungen, stand Jesus von den Toten auf. Keine Frage, dass die frommen Fürbittenfreaks da ganz genau auf die Uhr gucken und ihre Gemeinde direkt aus den Sündenlaken vors Kreuz holen. Da frage ich mich: was ist das für ein Gottessohn, der zu einer so unchristlichen Zeit aufersteht? Ich bin nicht schlau genug, um das zu beantworten.
Irgendwann habe ich mal einen Intelligenztest gemacht, online. Zu meiner großen Beruhigung war das Ergebnis mit IQ=128 überdurschnittlich hoch, wenn auch nicht hoch genug, um im Verein MENSA aufgenommen zu werden, dem Club der Superschlauen. Seit diesem schmeichelhaften Testergebnis hüte ich mich, der Sache genau auf den Grund zu gehen. Ich habe berechtigte Angst davor, dass sich da irgendwer verrechnet hat.
Wer übrigens wegen seiner überdurchschnittlichen Intelligenz Minderwertigkeitskomplexe hat, aufgepasst: ab morgen dürft Ihr Euch ganz legal dumm kiffen. 50 Gramm im Monat sind erlaubt. Mit zehn Gramm kriegt man einen IQ-Punkt weg.
P.S.:
Ich bin so froh, dass ich mir das Thema „Zeitumstellung” einmal ganz genau klarmachen konnte. Es bedurfte großer Anstrengung, eines orchestralen Musikarrangements, Chöre sowie Zeitlupen- und Greenscreentricks aus dem Fernsehzauberkasten. Für dieses von der Weltöffentlichkeit ignorierte Radio Bremen-Musikvideo aus dem Jahr 2004 schuf ich den „Zeitumstellhelden”, der zweimal im Jahr mit schwerer Mechanik die Zeit umstellt. Das Lied sollte in den Schulunterricht aufgenommen werden, es erklärt die Umstellung auf Sommerzeit: „Heute Nacht stell’ ich den kleinen Zeiger von der Zwei auf die Drei. Dann bleibt es länger heller und die Nacht verschwindet schneller.” Das braucht man sich nur an jedem letzten Märzwochenende in Erinnerung rufen, dann weiß man, was geht.
Danke fürs Lesen, liebe Freundinnen & Freunde, es ist ein schönes Gefühl, Teil Eurer Frühstücksrituale zu sein. Empfehlt mich gerne weiter, ich freue mich über jeden Neuzugang in der geschätzten Leserinnenschaft.
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„Ich würde niemals Geld dafür nehmen, es sei denn, ich bekomme es geschenkt.” (Josefine Mutzenbacher)
Mein schlauer Freund Hans-Jürgen Osmers weiß es besser: „In Kommissar-Folge 71 „Spur von kleinen Füßen“ verabschiedet sich Harry Klein vorzeitig aus dem Kommissar-Team, um zu Derrick zu wechseln. Harrys Bruder Erwin Klein ( Elmar Wepper) übernimmt für die letzten beiden Jahre.”