Die Comedienne Erika Ratcliffe fragt in ihrem Stand-Up-Programm: „Gibt es Männer im Publikum, die einen großen Penis haben – und Depressionen?“1 Damit untersucht sie einen Zusammenhang, der von der Wissenschaft ignoriert wird. Gibt es ihn? Ich habe mal gelesen, dass der Konsum von billigem Schweinefleisch auf Dauer in die Evolution eingreift: Jungen von Eltern mit hohem Billigschweinefleischkonsum sollen kleinere Penisse haben, wegen des vielen Östrogens im Produkt. Da dieses Phänomen besonders in Gegenden auftaucht, in denen die Leute ohnehin nicht viel zu lachen haben, ist das mit den kleinen Penissen natürlich eine große Sache.
Denn wo es keine Möglichkeit gibt, sich über Bildung oder künstlerische Exzentrik zu profilieren, herrscht ein archaisches Hierarchiemuster vor. Glaubenssätze wie „Nur die Harten komm’ in’ Garten“ bilden ein penetrantes Klima von Wettbewerb und maskuliner Selbstbehauptung. Die Einschätzung, wie „bestückt“ man ist, spielt eine große Rolle bei der männlichen Selbstfindung. Der Leumund des Genitals entscheidet darüber, ob man als aufrechtes Mitglied der Gemeinschaft wahrgenommen wird oder besser den Schwanz einzieht.
Ein Jungspund aus einer wohlhabenden Juristenfamilie kann einen unterdurchschnittlich kleinen Phallus besser wegstecken. Ihm wird in seinen Kreisen glaubhaft gemacht, dass es auf die Größe nicht ankäme. Aber da die Eltern seit Generationen die Zutaten für die Familienspeisung vom Biobauern liefern lassen, ist der Oberschichtenjunge sowieso von prächtiger genitaler Erscheinung – und läuft nicht Gefahr, infolge von Mangelernährung beim sexuellen Wettbewerb den Kürzeren zu ziehen. Keine Zentimeterkrise dank Demetergemüse.
„Size doesn’t matter” ist in der Schweinefleischszene nicht vermittelbar. Wo vor allem eichelverherrlichender Deutschrap gehört wird, genießt ein Mann nur mit einer stahlharten Dauererektion von Imperatorformat Respekt. In der Unterschicht steht der Penis nicht nur für sich allein, er repräsentiert den ganzen Mann: „24/7 ready for painful penetration“ ist der anschwellende Kampfruf des prekären Penispakts.
Dass ein Riesenanspruch an den eigenen Pikkolo-Penis psychische Probleme produziert, ist klar: kein Wunder, dass Erika Ratcliffe Depressionen vor allem bei unterdurchschnittlich begliedeten Männern verortet.
Das renommierte University College London ist einer verwandten Frage auf den Grund gegangen: Gibt es den vielzitierten Zusammenhang zwischen genitaler Größe und PS-Fetisch? Wer hat nicht schon mal einem lärmenden Lamborghiniloser, einer fremdschamverursachenden Ferrari-Pfeife oder einem präpotenten Porscheposer erektile Mängel und winzige Beschwanzung unterstellt? Die Wissenschaftler haben bei ihren Ständer-Studies erstaunliches festgestellt2: Tatsächlich wächst die Faszination der getesteten Herren für sogenannte Sportwagen proportional zur Einschätzung des persönlichen Penis’ als zu klein. Ein in Hinsicht seiner lendenmittigen Ausstattung zufriedener Mann hat an röhrenden 12-Zylindern und tiefergelegten PS-Monstern kein Interesse. Der komplexfreie Geschlechtsführer denkt beim Gedanken an schnelle Autos: „Ist mir latte”.
Ich wünsche nun einen von guten Gedanken aufgerichteten Sonntag!
Neu erfundene Wörter im 136. Sonntagskind: Familienspeisung, Schweinefleischszene, eichelverherrlichend, Imperatorformat, Penispakt, Pikkolopenis, begliedet, Lamborghiniloser, Ferrari-Pfeife, Ständer-Studies, lendenmittig, Geschlechtsführer
Ich muss danken: immer mehr Sonntagskindleserinnen und -leser sorgen für Ausdehnung in meiner Hose. Aber nicht, wie Du denkst, sondern indem sie mein Portemonnaie füttern. Ich muss sagen, das fühlt sich gar nicht schlecht an! Wer es ausprobieren will, einfach hier an diesem Knopf reiben:
Hast Du Verwandte in benachteiligten Stadtteilen? Kläre sie auf! Diese Kolumne mit ein paar großen Worten weiterleiten:
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Ich fürchte, an diese Kolumne werde ich jedesmal denken, wenn ich mir einen Latte bestelle. Aber egal, ist mir Latte 😁
„Keine Zentimeterkrise dank Demetergemüse.“ 😂😂😂 hatte keine Ahnung über den Zusammenhang! Großartige Sonntagsinformationen 🤣👌