5 Kommentare
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Avatar von Ramona Krohn

Respekt! Aber auch mein score ist nicht so übel -- und mit Kafka drin -- und blabla score ruft nach noch mehr Fütterung ;-) :

👉 Bla-Bla-Score: 37%

👉 Kategorie: Existenzialistischer Weltschmerz mit Hang zum Drama

Markierter Text:

❌ „den Himmel gesehen, die Hölle erfahren“ → Standardmetaphern für „viel erlebt“, aber was genau? Mehr Substanz wäre schön.

🌀 „unmögliche vierzig Jahre leben“ → Überdramatisiert. So schlimm kann’s doch nicht sein?

🤔 „das Schicksal wäre so nett“ → Schicksal als Kumpel dargestellt – netter Versuch, aber ziemlich pathetisch.

🚀 „die so prall und saftig wurden, dass sie den ganzen Baum umrissen“ → Obstmetapher für wirtschaftlichen Erfolg – poetisch, aber auch verschwurbelt.

📢 „Ich war dieser Sessel“ → Großes Finale im Kafka-Modus. Nett, aber ein bisschen dick aufgetragen.

🎤 Kommentar:

„Das ist keine Bewerbungsgeschichte, das ist ein existentialistischer Fiebertraum! Zwischen Selbstmitleid, Kapitalismuskritik und dramatischen Metaphern verliert sich der Protagonist in seinem Weltschmerz – und der Leser sich irgendwann im Satzbau. Aber hey, wenigstens war kein „out of the box“-Denken dabei! Soll ich weitere Blabla-Stellen sezieren?“

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Avatar von Ramona Krohn

Beim zweiten Sezieren hab ich bereits einen Fortschritt erschritten und folgendes schmetternde Fazit ergattert: "Puh, das liest sich, als hätte Kafka mit einer religiösen Influencerin und einem Gothic-Romanautor eine Schreibsession gehabt. Mystik, Bibelzitate und eine philosophisch-existenzielle Selbstfindungsreise in einem einzigen Text – da braucht man fast einen Theologiestudenten mit einem Duden in der einen und einem Ouzo in der anderen Hand, um mitzukommen." ...wär wohl doch nicht so der Bestseller Typ

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Avatar von Ramona Krohn

Und auch die dritte (und letzte - sorry fürs Zuspamen) Sezierung erreicht 78% blabla-Prozente und verleiht mir diesen schönen Klappentext:

Ein sprachlich beeindruckendes, bildgewaltiges Werk – aber ordentlich verklausuliert. Ein bisschen weniger „ich bin Tod, ich bin Übel, ich bin alles und nichts“ und ein bisschen mehr Klartext hätte dem Ganzen gutgetan. Trotzdem: Wer Kafka mit Edgar Allan Poe auf einem Komposthaufen tanzen lassen will, hat hier definitiv was gefunden.

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Avatar von Mark Scheibe

...und jetzt den Text, auf den sich diese herrliche Verriss-Orgie bezieht, bitte!

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Avatar von Ramona Krohn

Na gut -- mit der Anmerkung, dass das Ganze für einen Hölderlin-Preis geschrieben wurde. Ich dachte da muss man düster, verklausuliert und morbide fabulieren ;-) :

gewesene Verwesungswesen genesen

Ein Komposthaufen, der sich über unzählige kleine Hügel erstreckt, die ob seiner Dichte und Tiefe niemand mehr auch nur erahnen kann. Ein Geruch, den man erfahrungshalber als bestialischen Gestank definieren würde und dem man sich verstandeshalber mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen, entziehen möchte. Was ist das? Was bedeutet dies und wer legt mir diese Bilder inmitten einer flirrend einsamen Nacht auf mein Laken? Ich versuche diese dröhnende Frage, die sich sanft zischend in meinem Kopf dreht, um dann zur peitschenden Marter zu werden, mit Ignoranz zu ersticken. Meine Geruchsrezeptoren drängen mich ihre Arbeit zu tun, sie existieren, um Aromen aufzunehmen, die sie derart transkribieren, dass ich verstehe, welches Zeichen das Odeur mir deuten will. Ich möchte nicht, ich wehre mich und schließe die Augen erneut in der Hoffnung und Annahme, mich der feindlichen Welt da draußen zu verschließen, die doch schon begonnen hat in mich einzudringen und Besitz zu ergreifen. Meine Sinne sollten doch für das Innen sein und das Außen eine rare, unentdeckte Insel belassen. Es wäre gut, diese zahlreichen fremden Archipele unberührt zu lassen. Eine Kolonialisierung findet nicht statt. Ihre unberührte Natur soll auch mich nicht berühren. Ich bin zerbrechlich und wate alsdann im weichen organischen Material, das diese Nacht für mich bereitete. Ich bin bei mir, der Dunst, dem ich mich zu verschließen bemühte, dem meine nicht dafür bezahlten, aber redlich unermüdlich arbeitenden Geruchsnerven dennoch Eintritt gewähren, wandelt sich in einen angenehmen Duft. Er ist vertraut, er ist Teil meiner, er ist ich. Ich bin Fäulnis. An jenem Punkt des linken Arms, an dem Speiche und Elle sich treffen, um in des Menschen schöpferische Hand den vollendeten architektonischen Bauplan zu vollenden, sitzt warmer, weißer Schnee. Gebannt blicke ich auf diese hauchdünne Schicht, die mich einnimmt und umwebt. Ich bin ein zugefrorenes, erstarrtes Meer, das niemals in seinen Tiefen so ruhig sein wird, dass diese Schicht trägt. Aber ich bin das Meer, ich bin mächtig, kann alles unter mir begraben. Ich muss nur mein Bett, meine Heimat verlassen. Diese weiße, graue, fein marmoriert grüne, ausströmende und langsam kriechende Schicht, soll bleiben, soll mein mühsam gefundenes Ich, meine Prinzipien, mein wohliges Gefühl der Existenz zusammenhalten. Sie soll ein Netz weben, in dem ich mich geborgen fühle, mit dem ich sanft auf dem weichen Morast vergehenden Lebens dahingleiten kann. Nur ich ahne, dass in diese dünne, mich formende Eisschicht schon ein Kieselstein einen unerträglich donnernden Spalt reißen kann. Ich habe ungeheure Angst, nicht vor der Verletzung, sondern vor dem Ungeheuer in mir. Es sind keine romantischen Meereswogen. Es brodelt, es röchelt und tobt. Es verwest und verliert sich im eigenen Netz.

Eine mich wohl zufällig tangierende Stubenfliege erkennt erstaunlicherweise mein Leiden unter dieser nun pelzigen Hülle und saugt mich mit ihrem Rüssel aus der Tiefe. Ich sitze wie ein gerettetes Königskind auf ihrem Rücken und beobachte voller Staunen, wie aus dem Eisloch dieser entstiegenen Hülle lawinenartig eine tödliche, heiße, rostfarbene Brühe strömt. Bevor ich es denken kann, schreie ich aus Leibeskräften: „Nicht ich!“, verliere den Halt auf der Stubenfliege an deren Zotteln ich mich festgekrallt hatte und versinke in diesem erdballgroßem Komposthaufen. Noch immer nicht lässt mich meine Nase im Stich und übermittelt mir unweigerlich Tod. Ein süßlicher Duft, erträglich, gar anziehend, da sich auch meine Moleküle der Ausdunstung in diese Kreation reihen. Ich bin Tod. Tod als Subjektiv, da immer noch Subjekt und trotz Substanzverlust mächtig. In der Spiegelung einer aller Zersetzung trotzenden Muschelschale blicke ich mich an und finde ein Nichts. Ich bin nicht. Wiederum löst diese schreckliche Erkenntnis einen Schicksalsschrei aus meinen Lungen, den nie ein Mensch gewaltiger hervorbrachte. Welche Lungen? Die Meinigen hatte ich längst den Kronenwesen überlassen. Ich wollte nicht Besiegter werden. Daher wurde ich Gabengeber und hatte auf diese Weise dem Trauma der Okkupation entgegengewirkt. Keine Organe, keine Substanz, das war mir verständlich, aber wo waren meine Hülle, meine Resonanzräume, mein harter Schutzschild?

Unglaubliches Gruseln durchzieht und schüttelt mich. Ich spüre mich und nutze alle meine Sinne. Aber ich bin nicht? Vor mir tun sich Kuppeln aus feinst geschliffenen Gebeinen auf, unzählige. Ein erstarrtes Gerippe weist mich in eines dieser elfenbeinfarbenen Meisterwerke. Galt dies wirklich mir? Bin ich doch zu sehen, oder bin ich im Verderben der Unterwelt unwissend Gefangener. Aller Sinne zwar noch nicht entraubt, aber schwer manipuliert? Doch erneut, spüre, fühle, höre und rieche ich. Alle Eindrücke, alle Gedanken sind trotz des makabren Orts in positivem Fluss. Ich fließe, ich schwebe als parfümierter Lufthauch in eine der Kathedralen des Todes. Das Nichts begrüßt mich. Das Nichts umschmeichelt mich. Es ist meine Kathedrale. Ich bin Tod. Zuhause. Ruhe. Nun.

Ich bin Tod und der Duft von Verwesung besänftigt mein Wesen wie das Bourbonvanillebonbon, das mir meine erste große, kleine Liebe, heimlich während des Unterrichts, mit zitternder Stimme anbot. Ich lutschte es neben ihr in der Schiffschaukel und war ein halbes Menschenlebenlang sicher. Verderben ersetzt Vanille. Es gibt keine Gefahr, ich bin resistent gegen Übelkeit, denn ich bin das Übel. Nicht das grausame, hinterhältige Übel, sondern das Wohloderübel der Menschheit. Meine Aufgaben werde ich ausnahmslos human erledigen. Unvorbereitet offeriert mir dieses, mein eigenartiges Gebäude ein ewiges Transportband, das nie enden wird und meine Todesaufgabe wortlos beschreibt.

Ich trage ein Messer, ein unwiderruflich tödliches Messer, ein Messer ohne Schärfe, aber mit schmerzversprechenden Reißzähnen, die sich offensichtlich und ohne Widerrede in die Kehlen der mich mit großen Augen und schnuppernden Schnäuzchen anblickenden Ferkelchen bohren soll. „Mörder“ brülle, krächze ich aus allen Kräften, die mein transzendenter Todeskörper gewährt. Und meine damit mich selbst. Nicht Mord, nicht Gewalt, sondern Tod und Ruhe waren meine Sehnsucht, das Versprechen meiner Reise. Aber das Messer weicht nicht von meiner Seite und mit jedem Ruf der Verzweiflung, den ich in das Nichts sende, schrammt dieses haftende, verfluchte Messer an meiner Seite, an unschuldiger roséfarbener Tierbabyhaut entlang. Der angenehme Duft zergeht und der beißende Geruch von Angst, Ungerechtigkeit und Verzweiflung sticht mir in der Nase, welche plötzlich wieder fleischig, als Materie, randlos schwebend das Trauerspiel beschnüffelt.

„Mörder“ brülle ich erneut aus einem Nasenflügel, während sich im anderen der blutige Griff der metzelnden Waffe eingenistet hat. Die fahrende Schlachtbank schlängelt sich mittlerweile in unendlichen Windungen durch Raum und Zeit und in wenigen Metern sehe ich meinen irdischen Körper mit Steckdosennase, fixiert auf dem perfiden Plastikband, quietschend auf mich zurollen.

Eine Tür wird eingetreten. Uniformierte Gesetzeshüter, dienstbekleidete Lebensretter, besorgte Nachbarn übertreten die Schwelle meiner Wohnungstüre und treten an die Schwelle meines Schlafzimmers, in dem sich Packungen von ungesunden, verpönten, aber verpackten Lebensmitteln stapeln. Ich ziehe mein Messer widerstandslos aus der Nase und lege es behutsam in die Hände eines Retters mit Vanilla Eau de Toilette Aura. Sie sprechen von Schreien, Besorgtheit, Angst und geschlossenen Jalousien. Die Menschen sind bunt. Ihre Kleidung, ihre Haut, ihre Accessoires aus bedrohlichen Geräten, und sogar ihre Gesichter. Sie lächeln, sie geben Ausdrücke und wohlklingende Töne der Erleichterung von sich und ihre Haltung ist eine andere, als die, die ich einst vom Marktplatz kannte. Es waren vier Jahre vergangen, als ich von dort enttäuscht und lebensmüde aufbrach.

Durch die nun geöffnete Tür schwebt ein Hauch frischer Luft, den ich wie S.G.s Vanilleatem im rosigen Morgengrauen einsauge. Nein, diesen Hauch verschwende ich niemals mehr.

Mein Mund, den ich nun ganz deutlich, mit beiden prallen, wohlgeformten und frisch durchbluteten Lippen spüre, formt sich für fünf Verse, die ich unsagbar genieße. Wie durch ein erlösendes Tor fliegt durch meine bewegten Stimmlippen:

„Dankend für alles

versteh ich,

lauf ich,

frei ins Aufwärtsleben.

Wohin ich will.“

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