Verehrte Leserinnenschaft, liebe Sonntagskind-User,
heute frühstücke ich in Baden bei Wien (siehe Bild) – es ist traumhaft hier, die Oktobersonne glüht im Augustmodus. Auf dem Beethoven-Wanderweg jogge ich durch den Wienerwald – den Kultur- und Fitness-Overflow gleiche ich bei hochverdichteten Konditoreiprodukten wieder aus. Ich freue mich, dass es euch gibt – danke fürs Lesen und Dabeisein, nun viel Freude mit dem 121. Sonntagskind!
Das Geheimnis des Wortes
Früher habe ich mit meiner Tochter auf Reisen „Geheimnis des Wortes“ gespielt, das geht so: ich sage ein beliebiges Wort, zum Beispiel „Hose“. Sie muss dann möglichst schnell einen möglichst genialen Satz bilden, dessen Anfangsbuchstaben den Lettern des Wortes „Hose“ gleichen: „Hans-Otto säuft eimerweise.“wäre einer. Oder „Halt! Oben schlafen Elfen!“ Vielleicht sogar „Hält Ottlile Stefans Eumel?“
Kritische Christen
Je länger das Wort, desto schwieriger wird das natürlich. Mach das mal mit „Rückspiegel“: „Richtig üble Christen kritisieren serbische Prostituierte in einem Göttinger Edel-Lokal.“ Bei „ck“ kann man sich natürlich überlegen, ob man c und k einzeln bedient oder phonetisch als „k“ zusammenfasst: „Raus! Üb Klavier! Selten primitiv, Ihr ekliges Geklimper. Elender Lump!“ Das gleiche gilt für „sch“. Es gibt wenig gute Wörter, im Deutschen, die mit einem „c“ beginnen, viele aber beginnnen mit „sch“.
Magisches Wörterverstecken
Noch anspruchsvoller ist das Spiel „Magisches Wörterverstecken“: man nehme ein Wort, zum Beispiel „Hose“. Die Aufgabe: bilde einen Satz, in dem das Wort „Hose“ versteckt ist, aber nicht in seiner Bedeutung, sondern klanglich. Kleide den Satz in eine lebendige Erzählung. Spiele dabei mit Dialekten und nutze für deinen Vortrag sämtliche darstellerischen Tricks. Also – Hose. Laut lesen: „Neulich war ich doch noch mal abends los, um beim Asiaten was zu essen zu holen, weißt du? Um die Ecke, wo es die leckeren Sommerrollen mit Tofu gibt. Die nette Kellnerin kommt und fragt: „Wa å-än ie ä-en?“1 Ich nuschele: „Was ist denn mit Tong-Ho, sind heute welche im Angebot?“ – Ganz okay, würde ich sagen.
Das Monster im Spiegel
Es fangen eben wenige deutsche Worte klanglich überzeugend mit der Silbe „se“ an. Der Anfang von „sind“ klingt halt so ähnlich wie das „se“ in „Hose“. „Rückspiegel“ ist richtig schwer: „Die ganze Stadt bebte unter den zerstörerischen Schritten des riesigen, schrecklichen Monsters. Wo die stinkende Bestie ihre hausgroßen Hufe hinsetzte, blieb nur noch Schutt zurück. Das Monster von Kohlhaasenbrück spie gelartige, glühende Masse, die wie Lava jegliches Leben unter sich vergrub.“
Eskalation des Vulgären
Zur Abwechslung von dieser inhaltslosen, aber mental sehr aufwändigen Beschäftigung kann man zwischendurch Pornotiere erfinden. Große Freude im Familien-PKW, wenn man seine Phantasie mit sexualisierten Fabelwesen wie der Pornisse und dem Knalligator bereichert. Rasch bringt jemand das Stoßhündchen und den Nuckelwal ins Spiel. Erst, wenn die Eskalation der Vulgarität genitalanimalische Neologismen wie die Analratte und den Fistkäfer hervorgebracht hat, soll man sich wieder anspruchsvolleren Unterhaltungsaufgaben zuwenden.
Annabella und der Anspruch
Mit Annabella (Name v. d. Red. geändert) bin ich auf dem Weg nach Baden bei Wien. Annabella ist Theaterregisseurin. Berufsbedingt ist sie von sinnfreiem Schabernack schnell gelangweilt. Also erfinden wir auf der langen Autofahrt eine neue Art des Zeitvertreibs, die auch den branchenspezifischen Anforderungen an intellektuell relevantes Entertainment genügen: Kritik von Graphikerzeugnissen auf Lastwagenplanen. Diese hat in Form einer Geschichte zu erfolgen. Wir sind gerade erst am Anfang mit dieser Disziplin und haben zwischen Prag und Brno schon ein prächtiges Exemplar gesichtet, hier die Story:
Ob der Designer stolz auf sein Werk war? Gewiss erhielt er ein präzises Briefing, bevor er sich an die Arbeit machte: „Mach uns ma n schönes Logo wo manche Buchstaben so Unterbrechungen haben, dass das so symbolisch dafür steht, wie schwer das ist, Sachen flüssig von A nach B zu bringen. Und dann sollen die letzten Buchstaben ein bisschen weiter weg sein als die anderen, damit man checkt, dass wir immer schon einen Schritt weiter sind, schließlich sind wir immer in Bewegung – super Slogan übrigens, der muss mit rein! Und bring irgendwo einen gelben Balken unter, der steht für die Line Speed, die unsere Fahrer kriegen, damit sie nicht einpennen unterwegs. Das ist wichtig, sonst kannst du den Auftrag vergessen!” – so wird es gewesen sein.
Kein Spiel für Schamäleons
Nach drei erfunden Lastwagengraphik-Hintergrundstories denkt man sich zur Belohnung und Retrivialisierung der Atmosphäre zwei Pornotiere aus, zum Beispiel den Blashüpfer und den Leckhengst.
Wer an dieser Art von Spielen keinen Gefallen findet, ist einfach nur eine miesepetrige Nölsardine. Oder eine neunmalkluge Schlaumeise. Ich bin auf jeden Fall eine vergnügungssüchtige Schwachtigall. Habt einen herrlichen Sonntag!
Das „å“ entspricht dem O-Laut von z.B.: Holz, Soll, Offenheit.
Sonntagskind präsentiert: eine nette Dedikation eigentlich.
Schenkung? Präsent? Entgelt? Nicht denken, entrichten!
So. Paypal ermöglicht nun Direktüberweisungen, ehrlich.
Sollten Privatleserinnen einzahlen, na, danke ergebenst!
Hast du Gefallen am Geheimnis des Wortes gefunden? Poste deine persönliche Geheimnis-des-Wortes-Ausdeutung von „Sonntagskind” – ich mach mal den Anfang, no pressure: „Schnell, originell! Na, nervös? Tierisch aufgeregt? Schreib kreativ, in notwendigem Duktus!”
Schon einen Kommentar geschrieben? Lies zur Belohnung diese amüsante Happy Donnerstag-Frühstückslektüre:
Übe schon den ganzen Morgen das „Geheimnis des Wortes“ mit dem Begriff „Gewinnmaximierungsoptimale“ - wie soll man an einem solchen Sonntag noch zur Tierversorgung kommen?
Liebe Grüße
Regine
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